Es war ein erster Schritt in Richtung Normalität nach der Pandemie, aber in Sachen Stimmung bleibt noch Luft nach oben. Vor 4000 Zuschauern wurden gestern in London die Brit Awards verliehen – ohne Masken, ohne Abstand, dafür mit umfassenden Corona-Tests.
Popsängerin Dua Lipa wurde als beste britische Künstlerin und für das Album des Jahres («Future Nostalgia») ausgezeichnet. Die Londonerin war damit die Gewinnerin des Abends. Die Show stahlen ihr aber Superstar Taylor Swift, die den «Global Icon Award» erhielt, und das medizinische Hilfspersonal auf den Rängen der Londoner o2-Arena.
Die Brit Awards waren die erste große Indoor-Musikveranstaltung vor Publikum in Großbritannien seit mehr als einem Jahr. Für ihren Einsatz in der Corona-Pandemie hatten 2500 Frontarbeiter kostenlose Eintrittskarten bekommen. Dua Lipa, die ihren vierten und fünften Brit Award einheimste, würdigte sie in ihrer Dankesrede. «Es ist schön, dass wir für sie klatschen, aber wir müssen sie auch bezahlen», sagte die 25-Jährige und richtete ihre Forderung unter großem Applaus an den britischen Premierminister Boris Johnson. «Wir sollten Boris eine Botschaft schicken, dass wir alle eine faire Bezahlung unserer Frontkräfte unterstützen.»
Auch Taylor Swift dankte den Helfern. Die Amerikanerin, die in den Vorjahren durch Abwesenheit geglänzt hatte, war überraschend nach London gekommen, um den Ehrenpreis entgegenzunehmen, den vor ihr nur David Bowie, Elton John und Robbie Williams bekommen hatten. In einer langen Dankesrede sprach sie über Widerstand, Erwartungsdruck und Anfeindungen. «Davon dürft ihr euch nicht kaputtmachen lassen, ihr müsst es als Antrieb nutzen», sagte Swift. «Ihr habt das Recht, ihnen das Gegenteil zu beweisen.» In den Genuss einer Musikperformance der «Shake It Off»-Sängerin kamen ihre Fans am Dienstag nicht.
Weitere Gewinner des Abends waren der Rapper J Hus, der den Preis als bester britischer Künstler bekam, und Sänger Harry Styles, der für seine Single «Watermelon Sugar» ausgezeichnet wurde. Styles erschien in einem skurrilen Anzug im Design einer 70er-Jahre-Tapete. Die Trophäe für die beste britische Band ging erstmals in der Geschichte der Brit Awards an eine rein weibliche Gruppe. Little Mix, seit kurzem auf ein Trio geschrumpft, widmeten ihre Trophäe den Spice Girls, den Sugababes und anderen britischen Girlbands.
Als internationale Stars wurden Billie Eilish und The Weeknd ausgezeichnet. Eilish bedankte sich per Video, der kanadische Sänger The Weeknd schickte dazu eine voraufgezeichnete Performance. Dagegen hatten die Mitglieder von Haim extra zehn Tage Hotelquarantäne in Kauf genommen, um bei der prestigeträchtigen Preisverleihung dabei zu sein – und das lohnte sich: Das sichtlich überraschte Schwestern-Trio aus Los Angeles bekam den Preis als beste internationale Band und stach die Foo Fighters und die südkoreanische Boygroup BTS aus.
Neben den Grammys gelten die 1977 ins Leben gerufenen Brit Awards als wichtigste Musikpreise der Welt. In den vergangenen Jahren sorgten nationale und internationale Stars mit spektakulären Auftritten bei der Preisverleihung für Furore. In diesem Jahr war die Show deutlich zurückhaltender, und die Stimmung in der zu weniger als einem Drittel gefüllten Arena durchaus steigerungsfähig.
Die Band Coldplay spielte zu Beginn der Show auf einem Kahn auf der Themse. Dua Lipa überzeugte gesanglich nur bedingt, und Sängerin Arlo Parks, die als «Breakthrough Artist» ausgezeichnet wurde, klang ein wenig schräg. Rag’n’Bone Man gab ein Pseudo-Duett mit Pink zum Besten, die nicht live dabei war, sondern als Video eingespielt wurde. Einziger echter Höhepunkt der Show war ein mitreißender Auftritt von Sir Elton John und Years And Years, die ihre gemeinsame Charity-Single «It’s A Sin» sangen, ein Cover der Pet Shop Boys.