Ein als Polizist verkleideter Mitarbeiter vor dem Sherlock Holmes Museum in London. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Benedikt von Imhoff/dpa)

Vor 130 Jahren starb der wohl berühmteste Engländer, der nie gelebt hat. Im erbitterten Kampf mit seinem Widersacher Professor Moriarty stürzte Sherlock Holmes einen Wasserfall hinab – und galt als tot. Das schilderte Arthur Conan Doyle in der Dezember-Ausgabe des «Strand Magazine» von 1893, und er muss es wissen. Schließlich ist Sir Arthur der Schöpfer von Sherlock Holmes. Doch das mit dem Tod ist so eine Sache.

«Der lebt, hundertprozentig, er ist nur kurz um die Ecke und kommt jederzeit wieder», sagt Laura von Ehrenstein schmunzelnd. Klar, das muss sie schon wegen ihres Amts so sagen: Von Ehrenstein leitet das private Sherlock-Holmes-Museum in London. Aber gleich auf mehreren Ebenen hat die Deutsch-Britin damit durchaus Recht.

Vor allem ist Sherlock Holmes auch 130 Jahre, nachdem Doyle über den spektakulären Zweikampf am Reichenbachfall in der Schweiz berichtete, unsterblich. In vier Romanen und Dutzenden Kurzgeschichten schilderte der Schriftsteller über rund vier Jahrzehnte die erfolgreichen Ermittlungen des «Master Detective».

Holmes überlebte seinen vermeintlichen Tod am Schweizer Wasserfall in «Das letzte Problem» (Original: «The Final Problem») schließlich um mehr als 30 Jahre. Zwar wollte Doyle den Ermittler tatsächlich im übertragenen Sinne beerdigen. Er hatte einfach keine Lust mehr auf Holmes und wollte sich auf andere Geschichten konzentrieren, wie von Ehrenstein erzählt. Aber der Widerstand und die Empörung waren enorm.

Enttäuschte Fans trugen Trauerflor

«Viele Leute haben nach dem Tod schwarz getragen, mit schwarzen Armbändern, weil sie in Trauer waren», berichtet die Museumschefin. «Sie dachten, es sei jemand sehr Bekanntes, sehr Beliebtes gestorben.» Für das «Strand Magazine» hatte der Roman-Tod des Helden schwere Folgen: Angeblich kündigten 20 000 Leser ihre Abonnements. Das brachte die Zeitschrift an den Rande des Ruins – und die Herausgeber überredeten Doyle auch mit Hilfe eines lukrativen Angebots dazu, Holmes auferstehen zu lassen.

1903 nahm er die Serie wieder auf und erklärte in «Das leere Haus», wie Holmes den Sturz überlebt hatte. Bereits 1901 hatte Doyle mit «Der Hund von Baskerville» den wohl bekanntesten Roman geschaffen.

Idealbild des systematischen Ermittlers

Mit kariertem Anzug und Hut im Lehnstuhl ruhend, eine Pfeife in der Hand, im Gespräch mit seinem Assistenten Doktor Watson schlüssig alle Hinweise und Aussagen prüfend – die Geschichten von Sherlock Holmes haben das Bild des systematisch vorgehenden Detektivs gezeichnet. Doyle war wohl der erste Schriftsteller, der seine Polizisten wissenschaftliche Methoden berücksichtigen ließ. Er inspirierte damit Krimi-Autoren wie Agatha Christie. Noch heute spiegelt sich die in sich ruhende und scharfsinnige Figur des Detektivs in Rollen wie dem TV-Ermittler «Inspektor Barnaby».

Einen «Mann der Tat und einen großen, großen Denker» nannte Holmes-Filmdarsteller Benedict Cumberbatch seine Rolle einmal. «Er hat einen messerscharfen Witz, der Leute vom Podest stoßen und innerhalb einer Sekunde die Oberhand gewinnen kann.» Sogar für echte Beamte ist Holmes ein Vorbild. «Viele Polizisten besuchen das Museum. Einfach um zu sagen: Er ist meine Ikone. Ich bin mit ihm aufgewachsen und seinetwegen bin ich Polizist geworden», erzählt von Ehrenstein.

So authentisch wie möglich wollen die Museumschefin und ihr Team die Zeit der Geschichten spiegeln. Das geht so weit, dass die Adresse des Museums – dank offizieller Genehmigung – dieselbe ist wie die, an der Holmes in seinen Geschichten wohnt: 221b Baker Street. Eigentlich trägt das im viktorianischen Stil eingerichtete Haus die Nummer 239. Vor der Tür begrüßt ein Mitarbeiter als «Bobby» die Besucher.

Wo ist das Grab von Sherlock Holmes?

«Viele Gäste wissen auch nach dem Besuch gar nicht, dass es Sherlock Holmes gar nicht gab – oder wollen es gar nicht wissen», sagt von Ehrenstein. «Manchmal werden wir gefragt: Wo können wir denn das Grab sehen von Sherlock Holmes?» Die Stadt London fördert dieses Gefühl durchaus. Eine Ecke vom Museum entfernt, direkt am Ausgang der U-Bahn-Station Baker Street, steht eine Statue des Ermittlers, als wäre er ein echter Mensch gewesen. Angeboten werden auch Spaziergänge durch die britische Hauptstadt auf den Spuren des Detektivs.

Vor allem die BBC-Fernsehserie «Sherlock» in den 2010er Jahren hat dafür gesorgt, dass die alte Romanfigur auch einem jüngeren Publikum und weltweit ein Begriff ist. Einige Fans glaubten, dass der britische Holmes-Darsteller Cumberbatch der echte Detektiv sei, sagt von Ehrenstein. Die andauernde Beliebtheit ist enorm: Im Februar feiert ein Holmes-Rockmusical im englischen Newbury Premiere.

«Ich vergleiche Sherlock Holmes ein bisschen mit dem Weihnachtsmann», sagt die Museumschefin zum Abschied. «Wenn man wirklich daran glaubt und es auch nicht anders wissen möchte, dann ist er einfach da.»

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