Kenneth Branagh als Hercule Poirot in einer Szene des Films "Tod auf dem Nil". (Urheber/Quelle/Verbreiter: Rob Youngson/20th Century Fox/dpa)

Warum trägt Hercule Poirot eigentlich einen Schnurrbart? Das ist eines der kleinen Rätsel, das in der mit Spannung erwarteten Neuverfilmung von «Tod auf dem Nil» beantwortet wird.

Der Brite Kenneth Branagh («Hamlet», «Kommissar Wallander») spielt darin nach dem Kinoerfolg von «Mord im Orient-Express» (2017) zum zweiten Mal Agatha Christies berühmten kauzigen belgischen Detektiv. Der hätte eigentlich gerne seine Ruhe, gerät aber wieder in einen Mordfall. Branagh führte erneut auch Regie. Einer der Produzenten ist Ridley Scott («Blade Runner», «House of Gucci»).

Unterhaltsames Winterflucht-Kino

Nach den Dreharbeiten gab es Ärger. Aber erst einmal zum Film. Der ist ein überbordendes, bombastisches Kinospektakel in einem glamourösen Fantasie-Ägypten mit vielen Stars in prächtigen 30er-Jahre-Kostümen, darunter «Wonder Woman» Gal Gadot, Russell Brand und Annette Bening. Unterhaltsames Winterflucht-Kino für die richtig große Leinwand, aber ohne den Kultfaktor von Peter Ustinov als Poirot und als Christie-Adaption schon gar nicht mit den alten Miss-Marple-Filmen zu vergleichen. Es ist ein klassischer «Wer war’s»-Krimi mit der Computer- und Studiotechnik von heute. Eine Tradition bleibt: Zum Finale hat Poirot in einer Runde mit den Verdächtigen alle Rätsel gelöst – und natürlich hatten fast alle ein Motiv.

Die Geschichte beginnt bei Branagh in Schwarz-Weiß mit der Vorgeschichte von Poirot: Mit seinem Spürsinn rettet er als (noch schnurrbartloser) Soldat im Ersten Weltkrieg seine Kompanie und landet verwundet im Lazarett, wo er die Liebe seines Lebens an seinem Bett wiedersieht. Mittels alter Filmauftritte wird der 61 Jahre alte Branagh auf der Leinwand verjüngt. Danach reist der Film nach London, in einen Nachtclub, wo sich die reiche Erbin Linnet Ridgeway (Gadot) bei einem sexy Tanz in den charmanten Simon Doyle (Armie Hammer) verliebt.

Wenig später sitzt Poirot vor den Pyramiden in Ägypten, neben sich ein Picknicktisch mit zwei gekochten Eier. Auf den Pyramiden turnt ein Mann herum: Sein alter Bekannter Bouc (Tom Bateman), mit dem Poirot Teil einer Hochzeitsgesellschaft am Nil wird. Dort taucht Simons verflossene Liebe Jacqueline (Emma Mackey) auf. Dann liegt Simons Braut Linnet erschossen im Bett. Es wird nicht die einzige Leiche auf dem Nil-Kreuzer bleiben. Ein Krokodil schnappt zwischendrin am Ufer nach Beute – das Böse ist ein steter Begleiter. Die Geschichte ist verwickelt und etwas absurd, sie wird getragen von Branagh, der Poirot liebevoll spielt.

Agatha Christies Krimis haben eigentlich etwas Gemütliches, sie sind kein Stoff zum Gruseln. «Tod auf dem Nil» erschien 1937, Christie schrieb ihn nach einer Ägypten-Reise. Branagh wollte die Filmversion «etwas jugendlicher angehen», wie er in den Produktionsnotizen erklärt. «Alles an der Geschichte ist jetzt jünger, sinnlicher und hat größere Tiefe, buchstäblich und ästhetisch.»

In der Corona-Pandemie lag die Produktion aus dem Hause Disney, die nach Medienberichten rund 90 Millionen Dollar gekostet haben soll, lange auf Eis, ähnlich wie der immer wieder verschobene neue Bond. Die Kulissen waren aufwendig: Allein der Bau der Tempelruinen von Assuan dauerte 10 Wochen, der des spektakulären Dampfers 30 Wochen. Gedreht wurde im Studio und in englischen Außenkulissen. Ein ägyptischer Gewürzmarkt am Nilufer wurde in den Cotswold Water Park westlich von London verlegt. In Ägypten wurde der Tempel Abu Simbel vermessen und fotografiert, ein Kamera-Spezialteam war für die digitalen Effekte zum Filmen am Nil und an den Pyramiden unterwegs.

Der Krimi war bereits 2019 fertig gedreht. Danach wurden schwere Vorwürfe sexueller Übergriffe gegen Darsteller Armie Hammer («Call Me By Your Name») bekannt. Er bestritt sie, mit seiner Karriere ging es bergab. Die Polizei in Los Angeles ermittelt noch. In «Tod auf dem Nil» ist Hammers Rolle so tragend, so dass man ihn wohl nur schwer hätte herausschneiden können. Auch den Krimi ganz neu zu drehen, wäre teuer und wegen der Pandemie besonders kompliziert gewesen. Disney äußerte sich zu diesem Komplex auf Anfrage nicht.

Im Film ist von dieser Vorgeschichte nichts zu sehen. Es blieb bei der Besetzung, Hammer wird in den Pressenotizen knapp genannt. In einer anderen Produktion mit Beteiligung von Ridley Scott lief es anders. Kevin Spaceys Auftritt in «Alles Geld der Welt» (2017) wurde nach dem mit ihm verbundenen Metoo-Fall herausgeschnitten. Scott filmte die entsprechenden Szenen kurzerhand mit Christopher Plummer nach.

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