Nach zweieinhalb Wochen im Einsatz an Bord des Seenotrettungsschiffes «Sea-Eye 4» auf dem Mittelmeer hat sich der Fernsehmoderator Tobias Schlegl (43) zu seinen eindrücklichen Erlebnissen geäußert.
«Was mich besonders schockiert hat, ist, dass wir hier 150 Kinder an Bord hatten», sagte Schlegl in der neuen Folge seines Lebensretter-Podcasts «2Retter 1Mikro», die am Donnerstag veröffentlicht wurde. «Wie krass ist das? Das sind Kinder, die nur durch uns gerettet wurden, die wahrscheinlich nicht mehr am Leben wären.»
Schlegl war am 8. Mai mit 22 weiteren Crewmitgliedern als Notfallsanitäter an Bord des Seenotrettungsschiffes in Richtung Mittelmeer aufgebrochen. Im Laufe der folgenden zwei Wochen sind den Angaben zufolge mehr als 400 geflüchtete Menschen aus der Seenot gerettet und aufgenommen worden, darunter ein acht Monate altes Baby.
Schlegl («Aspekte», «Extra3») hatte vor fast fünf Jahren seinen Moderatoren-Job zum Teil hingeworfen und sich drei Jahre lang zum Notfallsanitäter ausbilden lassen. Seitdem ist er im Schichtdienst in Hamburg beim Roten Kreuz tätig. Vor knapp vier Wochen hatte er sich dann mit einem Post auf Instagram für unbestimmte Zeit verabschiedet und den Rettungswagen gegen das Schiff getauscht.
«Ich bin total froh, dass wir keine Reanimation hatten. Ich hätte es gemacht, ich hätte da auch funktioniert. Aber ich wollte überhaupt keine Reanimation haben, erst recht keine Kinderreanimation», sagte Schlegl weiter. Die meisten Geretteten habe das Team nach kurzer Zeit stabilisieren können. «Manche haben länger gebraucht. Aber im Endeffekt haben alle jetzt sicher den italienischen Boden betreten – in Sizilien. Da haben wir dann doch einen sicheren Hafen zugeteilt bekommen.»
Dem Gefühl der Freude über die Geretteten habe sich am Ende der Mission auch ein negatives gemischt. «Ich konnte mich zwar freuen. Ich hatte aber plötzlich dieses Gefühl: «Hätten wir nicht noch mehr retten können?». Also, wir waren völlig überfüllt, aber hätten nicht noch 100 hier aufs Schiff gepasst?»
Zudem sei ihm klar, dass die beschwerliche Reise der Menschen mit der sicheren Ankunft in Italien noch lange nicht vorbei sei. «Was denen noch bevor steht, ist teilweise noch viel viel heftiger, als das, was sie bisher erlebt haben. Wir haben ihnen geholfen, ja. Wir haben sozusagen in einer akuten Notsituation gehandelt, aber die haben echt noch einiges vor sich.»
Für die neue Podcast-Folge hatte Schlegl unmittelbar nach dem Ende des Einsatzes vor etwa einer Woche im Gespräch mit «Sea-Eye 4»-Sprecherin und Seenotretterin Sophie aufgenommen. Seitdem sind er und die Crew in einer von den Behörden verordneten zweiwöchigen Corona-Quarantäne. In dem Podcast kritisieren die beiden auch die europäische Flüchtlingspolitik.
Der humanitäre Einsatz der «Sea-Eye 4» wird von United4Rescue, dem Bündnis für die zivile Seenotrettung, und der Hilfsorganisation German Doctors unterstützt.
Die zivile Seenotrettung im Mittelmeer ist politisch umstritten. Italien hält die privaten Schiffe nach dem Einlaufen öfter im Hafen fest und macht Sicherheitsbedenken geltend. Die Bootsmigranten brechen meist von Libyen und Tunesien aus Richtung Italien auf. Nach UN-Angaben starben 2021 schon mehr als 770 Menschen beim Versuch, das zentrale Mittelmeer zu überqueren.