Wo Sir Peter Ustinov auftauchte, war gute Stimmung garantiert. Stets gut gelaunt und mit schelmischem Gesichtsausdruck zog er Grimassen für die Fotografen, imitierte Automotoren oder Musikinstrumente und sorgte mit Anekdoten und Witzeleien für Lacher.
Er vereinte Hochkultur und Unterhaltung. Und es schien nichts zu geben, in dem Ustinov nicht begabt war. Er war Schauspieler, Regisseur, Schriftsteller, Komiker, Entertainer und Weltbürger. Am 16. April wäre der sympathische Tausendsassa 100 Jahre alt geworden.
Zu seinem 75. Geburtstag scherzte Ustinov in einem ZDF-Interview, er wisse immer noch nicht, was er mit seinem Leben anfangen wolle. Da hatte das Multitalent schon mehr erreicht und erlebt, als den meisten Menschen in ihrem Leben vergönnt ist. Sich auf eine einzige Sache festzulegen, kam für den vielseitigen Künstler nie in Frage.
Er gewann zwei Oscars für seine Nebenrollen als Sklavenhändler Batiatus in Stanley Kubricks «Spartacus» (1960) und als Arthur Simon Simpson in der Krimikomödie «Topkapi» (1964). In Erinnerung bleibt er besonders als Hercule Poirot. Herrlich kauzig spielte er den belgischen Detektiv in mehreren Agatha-Christie-Verfilmungen fürs Kino und Fernsehen. In der deutschen Fassung von «Das Böse unter der Sonne» (1982) synchronisierte sich Ustinov, der sechs Sprachen fließend sprach, sogar selbst.
Der Brite, der oft betonte, dass er in Leningrad gezeugt und in Schwäbisch Gmünd getauft wurde, stammte aus einer multikulturellen Familie. Am 16. April 1921 wurde er als Peter Alexander Freiherr von Ustinov in London geboren – ein Einzelkind. Sein strenger Vater Jona von Ustinov war in Jaffa als Sohn russischer Einwanderer zur Welt gekommen. Seine Mutter Nadia Benois war eine Französin, die auch russische, italienische und äthiopische Vorfahren hatte.
Schon als Kind soll der kleine Peter beim Aufwachen Autogeräusche nachgeahmt haben. Die Unterhaltung seiner Mitmenschen war früh seine Bestimmung. «Ich bin immer sehr zufrieden, wenn ich Lachen höre», erzählte Ustinov einmal, «und wenn ich es selbst inszenieren kann, dann ist es das größte Vergnügen der Welt.» Hinter seinem listigen Gesichtsausdruck witterte man immer schon den nächsten Gag.
Der Humor war auch eine Flucht. Statt sich während der Kindheit von Mitschülern hänseln zu lassen, machte der kleine Peter lieber selbst Witze. Mit 16 Jahren verließ er die Schule, um Schauspiel-Unterricht zu nehmen. Schon als 18-Jähriger stand Ustinov mit eigenen Sketchen auf der Bühne und war auch als Autor gefragt. Mit Beginn der 1940er Jahre übernahm er erste Film- und Theaterrollen.
Im Zweiten Weltkrieg wurde der glühende Pazifist, der Zeit seines Lebens für die Völkerverständigung warb, zum Militärdienst berufen. «Das war die längste Rolle, die ich je gespielt habe, meine am wenigsten überzeugende und die am schlechtesten bezahlte», scherzte er 1964 im britischen Fernsehen. «Ich habe es gehasst. Aber heute bin ich froh darüber, weil es mein Leben sehr bereichert hat.»
Er ließ sich in die Abteilung für Unterhaltung und Propagandafilme versetzen. Dort arbeitete er unter anderem mit David Niven zusammen. Und nach dem Krieg ging es für Ustinov steil bergauf. Die Rolle des Kaisers Nero im Historienepos «Quo Vadis» machte ihn 1951 berühmt und bescherte ihm einen Golden Globe – der Auftakt einer Weltkarriere.
In seinem Leben wirkte er in rund 100 Film- und Fernsehproduktionen mit, führte Regie bei mehreren Filmen und schrieb zahlreiche Theaterstücke und Drehbücher. In den 60ern inszenierte er Opern, darunter Mozarts «Zauberflöte» am Covent Garden Opera House in London und an anderen internationalen Opernhäusern. Stets an allen Bereichen der Kunst interessiert, entwarf er sogar Bühnenbilder und Kostüme.
Neben den Oscars erhielt er unzählige Preise und Auszeichnungen, darunter Tonys, Emmys und 1959 sogar einen Grammy als Erzähler von Prokofievs «Peter und der Wolf», das er gemeinsam mit einem Orchester unter der Leitung von Herbert Karajan aufgenommen hatte und das in der Kategorie «Beste Aufnahme für Kinder» ausgezeichnet wurde. Dem Mann mit der unverwechselbaren Stimme hörte jeder gern zu.
Später drehte Sir Peter, der 1990 von Königin Elizabeth II. zum Ritter geschlagen wurde, neben Filmen auch Reisereportagen. Und er trat mit verschiedenen Soloprogrammen auf. Im Publikum blieb kaum ein Auge trocken, wenn der Musikliebhaber auf ulkigste Weise Bachkantaten zum Besten gab, dabei unterschiedliche Stimmen sang, die Instrumente des Orchesters und sogar das Husten des Publikums imitierte.
Auch schwere Herzprobleme und Diabetes konnten den beliebten Entertainer nicht davon abhalten, rund um den Globus Filme und Sendungen zu drehen und in Shows aufzutreten, bis sein Körper nicht mehr wollte. Am 28. März 2004 erlag Ustinov im Alter von 82 Jahren in einer Klinik im schweizerischen Genolier einem Herzversagen.
Seine Beliebtheit hatte Ustinov bis zuletzt für den guten Zweck genutzt, vor allem als Sonderbotschafter für das Kinderhilfswerk Unicef. Unermüdlich bereiste der Humanist die Welt und warb ohne erhobenen Zeigefinger für Gerechtigkeit, Dialog und Frieden.
Um sein Privatleben machte Ustinov meist ein Geheimnis, vieles gelangte trotzdem an die Öffentlichkeit. Dreimal war er verheiratet. Aus der Ehe mit seiner Jugendliebe Isolde Denham ging die Tochter Tamara hervor. 1950 wurde das Paar nach zehn Jahren geschieden. Ustinovs zweite Ehe mit Suzanne Cloutier, mit der er die Töchter Pavla, Andrea und den Sohn Igor hatte, wurde nach 15 Jahren geschieden.
1972 heiratete der Brite die französische Journalistin Helene du Lau d’Allemans, mit der er bis zu seinem Tod zusammenblieb. Seit den 70er Jahren lebte das Paar in einem Haus am Genfer See. Zuhause war Sir Peter Ustinov allerdings auf der ganzen Welt.