Sozialkritik in deutschen Serien: Wo bleibt die Realität?
Eine Analyse über den Mangel an sozialkritischen Inhalten in deutschen Serien und die Darstellung von Armut und Existenzdruck. (Urheber/Quelle/Verbreiter: )

Im deutschen Fernsehen dominiert ein recht monotoner Eindruck des fiktionalen Programms, geprägt von Krimiserien und einigen wenigen Heimat- oder Krankenhaus-Soaps. Gelegentlich wird eine Sozialserie mit realistischen, klischeefreien Figuren präsentiert, was oft für großes Aufsehen sorgt.

Ein aktuelles Beispiel ist die Dramedy Marzahn Mon Amour, in der Jördis Triebel die Hauptrolle spielt. Zuvor gab es die Miniserie Tina mobil aus dem Jahr 2021, die das Leben alleinerziehender Mütter thematisiert. Solche Darstellungen des Alltags von einkommensschwachen Familien sind in den letzten Jahren rar geworden.

In Marzahn Mon Amour wird die Problematik der Preiserhöhung für Fußpflegeleistungen behandelt, die die Betreiberin aufgrund der finanziellen Lage ihrer Kunden nicht umsetzen kann. Diese Situation führt sie in existenzielle Schwierigkeiten und stellt ein soziales Dilemma dar.

Heutzutage sind die Handlungen in deutschen Serien überwiegend in der Mittel- oder Oberschicht angesiedelt, wo der Kauf eines SUVs näherliegt als die Überlegung, ob eine Urlaubsreise finanziell möglich ist. Diese Entwicklung führt zu einem chronischen Mangel an Charakteren aus der Unterschicht im Fernsehen.

Früher war das anders; viele Serien wie Drei Damen vom Grill oder Auf Achse spiegelten die sozialkritischen Filme von Rainer Werner Fassbinder wider. Auch Lindenstraße und ähnliche Formate thematisierten soziale Probleme.

Joan Bleicher, eine Medienwissenschaftlerin, merkt an, dass die Zahl der Produktionen im Genre Sozialdrama im traditionellen Fernsehen abnimmt. Dennoch finden sich sozialkritische Elemente in Krimiserien wie Tatort, die aktuelle soziale Probleme durch Kriminalfälle ansprechen.

Allerdings kritisiert Bleicher, dass viele Serien eher unrealistische, gefühlsbetonte Darstellungen sozialer Themen bieten. Serien wie Frühling oder Die Drei von der Müllabfuhr bieten einfache Lösungen für komplexe Probleme, was wenig mit der Realität zu tun hat.

Während das Kino gelegentlich soziale Themen behandelt, sind im deutschen Fernsehen oft nur wohlhabende Charaktere in großen Wohnungen zu sehen. Probleme beschränken sich häufig auf Beziehungsdramen oder Eifersucht anstelle von Themen wie Inflation oder unzureichender Gesundheitsversorgung.

Laila Stieler, die für Tina mobil verantwortlich war, spricht von der aktuellen Realität, dass viele Menschen trotz harter Arbeit nicht genug verdienen. Die Serie erreichte hohe Zuschauerzahlen, doch eine Fortsetzung blieb aus. Sie fragt sich, wo die Figuren sind, die unter existenziellen Druck leiden und deren Alltag oft in Vergessenheit gerät.

Stieler beschreibt die Situation in ihrem Heimatdorf in der Uckermark, wo es kaum noch Einkaufsmöglichkeiten gibt. Der Bäckerwagen, der früher regelmäßig kam, ist nicht mehr im Einsatz, was die Lebenssituation für viele Menschen ohne Auto oder Führerschein erschwert.


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