Der Autor Salman Rushdie kommt auf der Frankfurter Buchmesse zu einer Pressekonferenz. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Arne Dedert/dpa)

Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen hat der von Islamisten bedrohte britisch-indische Schriftsteller Salman Rushdie die Frankfurter Buchmesse besucht. Es war einer der ersten öffentlichen Auftritte nach dem Attentat im vergangenen Jahr, das er nur knapp überlebte. «Ich bin froh, hier zu sein, in einigermaßen vernünftiger Verfassung», sagte der 76-Jährige, der am Sonntag in der Paulskirche den Friedenspreis des deutschen Buchhandels erhält.

«Ich freue mich auf die Kirche am Sonntag – was etwas ist, das Sie nie zuvor von mir gehört haben», scherzte der erklärte Atheist, der sehr entspannt wirkte und auf die Fragen der Journalisten aus aller Welt oft humorvoll antwortete. Dennoch ist er besorgt über die aktuelle politische Lage. «Die Welt ist in keinem guten Zustand», sagte er. «Aber unvernünftigerweise bleibe ich optimistisch.»

Die Ereignisse in Israel «erfüllen mich mit Horror», sagte Rushdie. «Ich bin entsetzt über die Anschläge der Hamas und ahne, was (Israels Regierungschef Benjamin) Netanjahu im Gegenzug machen wird.» Er hoffe, dass die Kämpfe möglichst bald eingestellt werden können. Es sei darüber hinaus weltweit «eine riskante Zeit für die Demokratie». Nicht nur in den USA verließen manche Parteien die demokratischen Pfade und entwickelten einen Personenkult. «Es sind düstere Zeiten.»

Was dem Autor Hoffnung gibt, ist die Literatur. «Schreiben ist ein optimistischer Akt. Man geht davon aus, dass es später jemand liest», sagte Rushdie. «Literatur zeigt die Welt als einen reichen und komplexen Ort, was das Gegenteil einer engen, rigiden Weltsicht ist.» Sein neues Buch «Messer» soll im April 2024 erscheinen. Er habe es vor zehn Tagen beendet. Thema ist der Messerangriff in den USA, bei dem Rushdie ein Auge verlor. «Es war unmöglich, über etwas anderes zu schreiben, bevor ich mit diesem Thema durch bin.»

Die Rolle von Literatur

Der Angriff sei «eine ziemlich harte und scharfe Erinnerung» an die Fatwa gewesen. «Es war eine knappe Sache, ich bin froh, immer noch hier zu sein.» Er verdanke sein Überleben den Ärzten, die ihn achteinhalb Stunden lang operierten. Der frühere Revolutionsführer Ayatollah Chomeini hatte 1989 wegen des Romans «Die satanischen Verse» zur Ermordung Rushdies aufgerufen und eine Kopfprämie auf ihn ausgesetzt. Seither lebe er in dem Bewusstsein, «dass diese Möglichkeit besteht», sagte Rushdie.

Bei jungen Autoren vermisst Rushdie zum Teil diesen Mut. «Ich habe den Eindruck, es gibt eine gewisse Unsicherheit unter jungen Autoren, worüber sie sich trauen zu schreiben. Nicht nur aus politischen Erwägungen, sondern auch aus sozialen und kulturellen Gründen.» Das beunruhige ihn. «Meiner Meinung nach kann jeder über alles schreiben. Wenn das nicht stimmt, hört die Literatur auf zu existieren. Wenn Frauen nur über Frauen, Inder nur über Inder und Heterosexuelle nur über Heterosexuelle schreiben dürfen – das ist der Tod der Kunst.»

Vor Künstlicher Intelligenz (KI) hat er keine Angst. Jemand habe ChatGPT gebeten, 300 Worte «im Stil von Salman Rushdie» zu schreiben, berichtete der Autor von Weltbestsellern wie «Die Mitternachtskinder» am Freitag auf der Frankfurter Buchmesse. «Was dabei herauskam, war totaler Müll.» Allerdings lernten solche Systeme schnell. Es beunruhige ihn, dass KI Stimmen nachahmen oder Videos fälschen könne. «Aber was das geschriebene Wort betrifft, bin ich im Moment nicht allzu sehr in Sorge. Denn ChatGPT hat keinen Humor, keine Originalität und ist wirklich ein schlechter Schreiber. So weit so gut – aber fragen Sie mich nochmal in zehn Minuten.»

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