Das Klimt-Gemälde «Dame mit Fächer», ist bei Sotheby's in London für 85,3 Millionen Pfund (99,2 Millionen Euro) versteigert worden. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Haydon Perrior/Sotheby's/PA Media/dpa)

Ein Auktionsergebnis von 85,3 Millionen Pfund (knapp 100 Millionen Euro) für Gustav Klimts Gemälde «Dame mit Fächer» in London rückt den österreichischen Maler als globales Phänomen auf dem Kunstmarkt erneut in den Fokus.

«Das ist natürlich ein verrückter Preis», sagte Klimt-Experte Tobias Natter am Mittwoch in Wien über die Rekorde, die das Frauenbildnis am Vortag bei der Versteigerung brach. Erklärbar sind die hohen Preise für die Werke von Klimt (1862 – 1918) laut Natter jedoch sehr wohl – unter anderem mit Klimts Schlüsselrolle im Wien der Jahrhundertwende und mit Entwicklungen des Kunstmarktes.

Eine «zehnminütige Bieterschlacht»

Wie das Auktionshaus Sotheby’s am Abend mitteilte, ist noch nie bei einer Versteigerung in Europa so viel für ein Kunstwerk bezahlt worden. Der bisherige Rekord in Europa lag bei 65 Millionen Pfund für eine Skulptur des Schweizer Künstlers Alberto Giacometti, die 2010 in London versteigert wurde. Gleichzeitig ist es das höchste Gebot, für das je ein Klimt-Gemälde unter den Hammer kam. Der Rekord lag bislang bei 104,6 Millionen US-Dollar (95,4 Millionen Euro) für «Birkenwald». Das Bild aus der Sammlung des Microsoft-Mitgründers Paul Allen wurde vorigen November in New York verkauft. Nach unbestätigten Medienberichten wurden jedoch in privaten Verkäufen für Klimts «Wasserschlangen II» und «Porträt Adele Bloch-Bauer I» noch weit höhere Summen erzielt.

«Er ist die Schlüsselfigur des Wiener Jugendstils», erklärt Natter die Bedeutung Klimts für den kulturellen Umbruch, der in der Habsburger-Metropole um 1900 stattfand. Klimt war nicht nur Mitbegründer der bahnbrechenden Künstlervereinigung Secession, sondern steht laut Natter auch als Symbolfigur für die Wiener Jahrhundertwende, die mit Sigmund Freuds Entwicklung der Psychoanalyse, der Traumdeutung, der Entdeckung der Sexualität und musikalischen Neuerungen etwa durch Arnold Schönberg einherging.

Die «Dame mit Fächer» wurde im Auftrag eines Kunstsammlers aus Hongkong während einer «zehnminütigen Bieterschlacht» ersteigert, hieß es in der Sotheby’s-Mitteilung. Der Schätzpreis von umgerechnet 75 Millionen Euro wurde weit übertroffen. Die Wertsteigerung ist enorm: Zuletzt hatte das Bild 1994 für 11,6 Millionen US-Dollar den Besitzer gewechselt. Auf dem Kunstmarkt öffne sich die Preisschere zwischen extrem teuer bewerteter Kunst und dem mittleren und unteren Segment immer weiter, sagte Natter.

Es gibt relativ wenig Gemälde von Klimt

Die «Dame mit Fächer» zeigt eine unbekannte Frau mit nackter Schulter vor lebhaften Vogel- und Blumen-Ornamenten. Es war eines der letzten Werke, die Klimt schuf, bevor er im Februar 1918 im Alter von 55 Jahren an einem Schlaganfall starb. Zu dieser Besonderheit kommt laut Natter, dass Klimt-Gemälde insgesamt relativ rar sind. Der Künstler habe weniger als 250 Gemälde geschaffen. «Wenn man es etwas überspitzt sagen möchte: Das ist das, was Picasso in einem Jahr machte», sagte der ehemalige Direktor des Leopold Museums und ehemalige Chefkurator des Belvedere in Wien, die bedeutende Klimt-Sammlungen beherbergen.

Das nun versteigerte Werk wurde in den 1960er Jahren vom Sammler Rudolf Leopold, dem Gründer des Leopold Museum, gekauft und gelangte danach auf ungeklärten Wegen ins Ausland, obwohl österreichische Behörden keine Ausfuhrgenehmigung für das Kulturgut erteilt hatten. Bei der «Dame mit Fächer» handelt es sich nicht um Raubkunst, die jüdischen Besitzern während der NS-Herrschaft gestohlen oder abgepresst wurde. Doch die Restitution von spektakulären, einst geraubten Klimt-Werken wie dem «Porträt Adele Bloch-Bauer I» schaffe nicht nur Bewusstsein für diese NS-Verbrechen, sondern rücke auch Klimt international immer wieder in den Fokus, sagte Natter.

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