Der Architekt Norman Foster hat eines der wichtigsten Wahrzeichen Deutschlands geschaffen. Die Reichstagskuppel ist ein Koloss aus Stahl und Glas, aber trotzdem scheint sie fast zu schweben. Hunderttausende Besucher spazieren jährlich den Wendelgang entlang – genau so wollte es der britische Architekt, der an diesem Sonntag (1.6.) 90 Jahre alt wird.

Der Umbau des Reichstagsgebäudes in Berlin sollte eine Wiedergeburt werden – die Wiedergeburt eines Parlamentsgebäudes, das eine so dunkle Geschichte hinter sich hatte.

Den Abgeordneten zuschauen, auf die Finger schauen. Das war Fosters Idee damals in den 1990ern. Er habe das Gebäude für die Öffentlichkeit zugänglich machen und sie buchstäblich von oben auf die Politik schauen lassen wollen, sagte er der BBC. «In gewisser Weise ist es ein Symbol für die Demokratie.»

Spektakuläre Sichtachsen

Foster gehört zu den Architekten, die auch denjenigen etwas sagen, die nicht ständig Architekturzeitschriften lesen. Sein Büro schuf ikonische Wolkenkratzer. Das Londoner Hochhaus mit dem Spitznamen «The Gherkin» (die Gurke) zum Beispiel oder den Frankfurter Commerzbank-Tower.

Dem British Museum in London verpassten sie ein spektakuläres Glasdach und der Themse eine neue Brücke – von kaum einer Stelle in der britischen Hauptstadt hat man eine so schöne Blickachse wie von der Millennium Bridge, die das Museum Tate Modern mit der St. Paul’s Cathedral verbindet.

Das Fachmagazin «Detail» würdigt Foster gerade als «Meister der Moderne»: «Die Welt der Architektur verneigt sich vor einem ihrer größten Visionäre.» Dabei war anfangs nicht absehbar, dass aus dem 1935 im Großraum Manchester geborenen Foster mal ein visionärer Architekt werden würde.

Als Junge im Luftschutzbunker 

In einem BBC-Interview sprach er neulich darüber, wie es war, während des Zweiten Weltkriegs aufzuwachsen. Er könne sich daran erinnern, wie er in einem Luftschutzbunker in den Armen seiner Mutter aufgewacht sei, erzählte er. Und wie Freunde morgens geklopft und ihm Granatsplitter gezeigt hätten. Erst Jahre später habe er verstanden, was das eigentlich gewesen sei.

Foster zog es später zur Architektur, er arbeitete sich hoch. 1967 gründete er das Büro Foster + Partners. Mit dem Pritzker-Preis gewann er die renommierteste Auszeichnung seiner Branche. Seit einer königlichen Ehrung darf er sich Lord nennen, oder genauer Lord Foster of Thames Bank.

«Norman ist begeisterter Pilot, mag Skilanglauf und Radfahren», heißt es auf der Internetseite seines Büros. Was er an Bergen so möge, wollte die britische Zeitung «The Observer» einmal von ihm wissen. «Die schiere Erhabenheit, die Größe, das Ausmaß, die Qualität des Lichts», antwortete er. Das Drama, die extremen Kontraste und die physische Anstrengung.

Ob er sich in den Bergen, in St. Moritz, am ehesten zu Hause fühle? «Zuhause ist auf viele Weisen dort, wo ich bin. Wenn ich hier in London bin, fühle ich mich wirklich zu Hause, und ich glaube, das Gleiche ist wahr, wenn ich in Madrid bin.» Aber in den Alpen habe er zum Beispiel die meisten Bücher.

Die Faszination der gläsernen Kuppel

Die Glaskuppel des umgebauten Reichstagsgebäudes gehört zu den Bauwerken Fosters, die inzwischen ikonisch sind. Etwa zwei Millionen Menschen besuchen sie nach Angaben des Bundestags jährlich. Touristen sind dort, Schulklassen auch, manchmal sogar Berliner. 

Bei Google Maps gibt es in den Bewertungen dann 4,7 Sterne. Und interessante Kommentare. Besonders empfehlenswert, schreibt ein Nutzer auf einem Portal, sei das Liegen unter der Kuppel.

Foster glaube, dass die Qualität unserer Umgebung die Qualität unserer Leben beeinflusse, erklärt sein Büro seinen Ansatz. Für ihn ist Architektur auch Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. «Ich meine, wenn man seine Vergangenheit nicht kennt, wie versteht man dann seine Gegenwart?», sagte er der BBC. «Und wie plant man für die Zukunft?»

Masterplan für den Wiederaufbau von Charkiw

Das Planen für die Zukunft, das zeigt sich auch bei anderen Projekten. Die Ukraine verteidigt sich seit mehr als drei Jahren gegen einen Angriffskrieg Russlands. Der Bürgermeister der Stadt Charkiw wandte sich an Foster, um einen Masterplan für den Wiederaufbau der Stadt zu entwerfen. «Eine Stadt der Zukunft», wie Foster in dem BBC-Gespräch erzählte.

Architektur als etwas Visionäres, etwas Optimistisches. Wenn man Architekt sei – oder auf andere Weise damit beschäftigt, etwas zu bauen -, sagt Foster, dann sei man optimistisch, wenn es um die Zukunft gehe.