Saša Stanišićs neuestes Buch «Wolf» dreht sich um die Angst. Und um Mobbing. Und um Mut. Was zunächst nach einem eher schweren Thema klingt, hat der Buchpreisträger («Herkunft») auf eine locker-leichte Art umgesetzt.
Dafür hat der 45-Jährige die Perspektive eines 13 Jahre alten Teenagers eingenommen, der bei seiner Mutter aufwächst und eine Woche in einem Ferienlager verbringen muss. Mitten im Wald. Mit dieser grässlichen Natur. Und mit doofen Klassenkameraden. Der Junge hat dementsprechend null Bock. Doch dann ist da Jörg. Der ist anders. Der scheint in sich zu ruhen und ist gleichzeitig immer das Opfer der gemeinen Jungengang um den Anführer Marko. Und keiner tut was – auch der 13-Jährige nicht.
«Schweigende Mittäterschaft» hat ihn nie losgelassen
Der in Hamburg lebende Saša Stanišić hat das Thema Mobbing in seinem Buch auch aufgegriffen, weil es ihn seit seiner Schulzeit beschäftigt, wie er der Deutschen Presse-Agentur in Hamburg sagte. «Mir scheint das Thema eines der wesentlichsten im Leben aller Heranwachsenden, und es verdient, dass noch viel mehr darüber gesprochen wird.» Er selbst habe als Schüler erlebt, wie einem seiner Mitschüler das Leben schwer gemacht wurde, und er und die meisten anderen taten nichts, um ihm beizustehen. Diese «schweigende Mittäterschaft» habe ihn nie losgelassen. «Die Schule muss sich für ihn wie die größte Hürde angefühlt haben.»
Durch die Ich-Perspektive mit all ihrer sanften Ironie ist es leicht, die gemischten Gefühle des durchaus charmanten und doch oft blockierenden Teenagers mitzufühlen. Den Zwiespalt zwischen Wollen und Tun. Die inneren Hürden. Und auch die zarten Gedanken der Hoffnung und des Mutes. Mut für sich selbst, Mut für andere. Vor allem aber Mut gegen die innere Angst – gegen den «Wolf».
Auf 185 Seiten und mit passenden und unaufgeregten Zeichnungen von Regina Kehn geht es um innere Kraft, ums in sich Ruhen, ums Beobachten, ums Reinlassen einer anderen Perspektive und um die Magie des Kennenlernens von Dingen, die man eigentlich doof finden wollte.
Buch richtet sich an keine besondere Zielgruppe
Sein Buch sei keins für eine besondere Zielgruppe, findet Stanišić. Im Gegenteil: Stattdessen sollten es «wir alle» lesen. «Ich kenne keine Person, die nicht in irgendeinem Rahmen bereits mit Mobbing in Berührung gekommen ist.» Eltern von unter zwölfjährigen Kindern empfiehlt er jedoch, das Buch gemeinsam zu lesen. Er wünsche sich zudem, dass sein «Wolf» – «aufgrund der Thematik, die uns alle angeht», auch von Erwachsenen gelesen wird.
Auf die Frage nach einer Botschaft von «Wolf» ist der deutsch-bosnische Autor Stanišić ganz klar: «Schaut nicht weg. Seid Komplizen für jene, die keine Komplizen haben. Sprecht miteinander und nicht übereinander.»