30 Jahre ist es her, da brachte Herbert Grönemeyer sein erstes Unplugged-Album auf den Markt. Die Platte wurde zu einem Meilenstein in der Karriere des Ausnahmekünstlers aus dem Ruhrgebiet.
Grönemeyer (69) hat Generationen von Konzertgängern geprägt. Er ist eine Art Konsenskünstler, auf den sich Tausende Menschen einigen können. Nun legt er nach. Unter dem Titel «Unplugged 2 – Von allem anders» bringt der in Bochum aufgewachsene Musiker jetzt seine zweite Unplugged-Platte heraus.
Darauf zu hören sind Songs, die nach 1995 erschienen sind – also nach seinem ersten derartigen Album, das bei MTV-Unplugged entstanden war und 1995 veröffentlicht wurde. Er war damals der erste nicht-englischsprachige Künstler, der bei der Konzertreihe auftreten durfte.
Was Grönemeyer über die Neufassung von «Mensch» denkt
Man könnte enttäuscht sein von dem neuen Album – schließlich hat er darauf nur einen neuen Song («Flieg»). Aber es gibt keinen Grund zu dieser Enttäuschung: Ohne elektrische Verstärkung, mit akustischen Instrumenten eingespielt und unter anderem vom 64-köpfigen Berliner Rundfunkchor begleitet, bekommen seine Songs eine neue Intensität.
Ein Highlight: Grönemeyers wahrscheinlich bekanntester Song «Mensch». Der Sänger findet: «Die „Mensch“-Version ist etwas stiller und nachdenklicher als das Original». Er hatte den Song ursprünglich nach zwei Schicksalsschlägen im Jahr 2002 veröffentlicht. 1998 waren ein Bruder und kurz darauf seine Frau Anna gestorben. Nun klingt es melancholischer.
Sich rund 20 Jahre nach dessen Erscheinen «Mensch» erneut anzunehmen und «etwas anders aufzuarbeiten», habe ihn bewegt, erzählt Grönemeyer im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. «Es ist nicht so, dass ich von meiner eigenen Musik normalerweise ständig angefasst werde.»
Aber bei «Mensch» und auch beim Mutmacher «Ich dreh mich um dich» wunderte er sich während der Aufnahmen, «was die dann selbst für mich so für eine Intimität haben oder auch wie privat die dann doch sind. Damit habe ich nicht gerechnet.»
Poet, Gefühlsmensch, Gesellschaftskämpfer
Grönemeyer gilt als Poet, Gefühlsmensch und Gesellschaftskämpfer, der eine feine Ader für gesellschaftliche Stimmungen zeigt. Das macht seine Texte auch mehr als vierzig Jahre nach seinem Durchbruch mit dem Album «4630 Bochum» relevant.
Gerade die großen Gefühle in Grönemeyers Musik – Euphorie, Glück, Melancholie, Trauer – berühren Fans über die Generationen hinweg. Viele Menschen verbinden persönliche Erinnerungen mit seinen Liedern. In den sozialen Medien postet er regelmäßig kurze Ausschnitte seiner Songs oder die Entstehungsgeschichten dahinter.
Mit welchem Künstler Grönemeyer gerne noch einmal arbeiten will
Zudem arbeitet Grönemeyer gerne mit jüngeren Künstlerinnen und Künstlern zusammen. Mit dem Rapper Soho Bani nahm er letztes Jahr eine neue Version seines Konzert-Klassikers «Zeit, dass sich was dreht» auf, der Song stand vier Wochen an der Spitze der deutschen Charts.
Auch für die neue Unplugged-Platte hat sich Grönemeyer Verstärkung geholt: Beim Song «Demo» singt er zusammen mit der Sängerin Lea im Duett. Der Berliner Musiker Peter Fox ist im Track «Warum» zu hören. Ein Künstler, den er bewundert, wie Grönemeyer erzählt: «Dass er beim Album mitgemacht hat, fand ich überraschend und hat mich sehr gefreut». Und: «Er wäre auch ein Kandidat, mit dem ihm noch mal zusammenarbeiten würde».
Generell sei es ihm wichtig gewesen, nicht nur ein Unplugged-Album zu machen, wie man es erwarten würde – bei dem alte Hits halt akustisch zu hören wären. «Es musste auch seinen Reiz haben», sagte der Sänger. Erst ein Experiment sei in dem Zusammenhang die Zusammenarbeit mit dem Berliner Rundfunkchor gewesen. «Aber gleichzeitig wirklich eine große Freude, weil die Dinge eine andere Farbe bekamen, eine andere Färbung.»
Chorstimmen packend und herzergreifend
Gerade Arrangements, bei denen die Chorstimmen einen großen Anteil erhalten, sind packend und herzergreifend. Zum Beispiel der Titel «Der Weg» über Trauer und Verlust sowie eine A-Capella-Version des Liebeslieds «Unfassbarer Grund», bei der der eigentliche Star passagenweise gar in den Hintergrund tritt.
Intensiv wirkt das Arrangement seines Klassikers «Flugzeuge im Bauch» mit Chorbegleitung, der einzige Song auf dem Album, der vor 1995 erschienen ist. Aber es geht nicht nur ruhig zu, Grönemeyer hat etwa den Konzert-Klassiker «Das ist los» unplugged eingespielt – ohne die Energie aufzugeben.
«Unplugged 2 – Von allem anders» ist auf jeden Fall auch ein Album für Fans. Wer die Originale kennt, wird tolle Betonungen erleben. Man ist gut damit beraten, die Platte laut aufzudrehen und ganz genau hinzuhören. Wer hingegen kein Fan von Grönemeyer ist, hat mit «Unplugged 2» die Chance, sich einem der erfolgreichsten Popstars Deutschlands neu zu nähern.