Der Ruhestand bringt auch eine große Freiheit: Patricia Riekel. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Tobias Hase/dpa)

Wie geht Ruhestand? Mit dieser Frage hat sich Patricia Riekel intensiv beschäftigt.

Als Chefredakteurin der Illustrierten «Bunte» stand sie bei Partys, Empfängen und anderen Anlässen auf der Gästeliste weit oben, mit Prominenz aus Gesellschaft, Wirtschaft, Adel, Fernsehen und Film. Dann plötzlich nur noch Haushalt, Garten und Ehemann? Nicht ganz leicht.

Nun hat die 72-Jährige darüber ein amüsantes Buch geschrieben hat mit dem vielsagenden Titel «Wer bin ich, wenn ich nichts mehr bin?». Im Interview der Deutschen Presse-Agentur erzählt sie, warum sie keine Angst vor dem Alter hat.

Frage: Neuanfänge und neue Phasen im Leben gibt es ja öfter mal. Was macht das Ende der Arbeitszeit so besonders?

Antwort: Der Ruhestand ist immer auch der Anfang vom Ende, weil am Ende nicht eine Karriere wartet, sondern der Tod. Das ist eine Melancholie, mit der man immer rechnen muss, vor allem, wenn man sich selbst beobachtet und plötzlich merkt, dass es so ein paar Dinge gibt, die man nicht mehr so gut kann.

Frage: Das hört sich deprimierend an. In Ihrem Buch schwärmen Sie aber auch von den Vorzügen. Welche schönen Seiten bringt es mit sich, wenn man nicht mehr täglich arbeiten muss?

Antwort: Das wird alles aufgewogen durch eine große Freiheit. Frei von Terminen, von Druck, von Verpflichtungen. Und es ist auch eine innere Unabhängigkeit. Im Beruf oder in der Familie sind wir immer gebunden an das, was Menschen von uns erwarten und erhoffen. Dass wir da sind, dass wir unsere Pflichten tun, Leistungen bringen, «bella figura» machen. Die Freiheit im Ruhestand bedeutet, dass ich diese Erwartungen nicht mehr erfüllen muss.

Frage: Als Chefin eines Gesellschaftsmagazins mussten sie bei Ihren Terminen immer «bella figura» machen, passend und elegant angezogen sein. Vermissen sie das?

Antwort: Das ist das Schöne am Ruhestand: Du kannst sein, wer du willst. Du kannst Blümchen-Kleider anziehen oder Jogginganzüge, du kannst die Person sein, mit der du dich wohlfühlst.

Frage: Zu Beginn haben Sie damit aber noch gehadert und wollten bloß nicht untätig sein. Sie haben gemalt, wollten ein Café oder gar eine Pension eröffnen.

Antwort: Nachdem ich aufgehört habe, zu arbeiten, habe ich versucht, weiter die Welt zu beeindrucken. Deswegen gab es hektische Betriebsamkeit. Aber das hat sich gelegt. Ich habe dann diesen Menschen wieder entdeckt, der ich in jungen Jahren war: ein bisschen versponnen, poetisch, träumerisch. Ohne Druck, schönen Gedanken nachhängen, vielleicht etwas notieren. Wer warst du so mit 16, 17, was hattest du für Träume, was für Hoffnungen? Wenn man sich daran erinnert und dahin zurückkehren kann, das ist ein großes Glück.

Frage: Dieser Tage muss eine sehr prominente Frau Abschied nehmen aus ihrem Amt: Angela Merkel (CDU), nach 16 Jahren als Bundeskanzlerin. Fühlen Sie mit ihr?

Antwort: Ich denke tatsächlich daran, was macht Angela Merkel? Zuerst werden die Termine und die Verabschiedungen weitergehen. Man ist wie so ein Schiff, bei dem der Motor abgestellt wird und es fährt einfach noch ein bisschen weiter. Für sie wird es schon schwierig sein.

Frage: Vor allem angesichts Ihrer Machtposition.

Antwort: Sie war die mächtigste Frau der Welt. Irgendwann kommt der Tag, da geht die Weltgeschichte weiter, und zwar ohne sie. Da wird jemand anders Entscheidungen treffen, Gespräche führen, den Vorsitz haben. Sie wird Ehrengast bei vielen Terminen sein und doch wird sie nicht mehr informiert werden, wenn eine Weltkrise ist. Dann wird auch Frau Merkel vielleicht melancholisch sein. Ich frage mich, wird sie ihre Blazer ausziehen? Zieht sie sich einen gemütlichen Pullover an, wird sie eine Jogginghose tragen?

Frage: Ihr Tipp für Frau Merkel?

Antwort: Wenn man Bilanz zieht und feststellt, dass man einen erfülltes Berufsleben hatte, dann kann man gut damit abschließen. Das Gefühl, ich habe meine Sache gut gemacht, ich habe in entscheidenden Momenten handeln können, ich war nicht nur Spielball, das gibt ein gutes Gefühl. Trotzdem – umso bedeutender das Amt war, umso größer ist auch der Wichtigkeitsverlust. Es stimmt einen ein bisschen traurig, zu wissen, dass jeder Mensch ersetzbar ist. Damit muss man sich erst anfreunden.

Frage: Sie sagten vorhin, dass am Ende des Ruhestandes der Tod steht. Erschreckt Sie das?

Antwort: Wir reden viel zu wenig über den Tod. Ich glaube, dass unsere Psyche und unser Körper so aufgestellt sind, dass in einem bestimmten Alter die Energie nachlässt. Wenn man viel versäumt hat im Leben, ist das vielleicht eine schwierige Zeit. Aber mir macht der Tod keine Angst. Ich bin nur leider nicht so gläubig, das ich sagen kann, dann sehe ich irgendjemand wieder oder werde belohnt. Das wäre schön.

Frage: Sie haben eine positive Einstellung zum Älterwerden, das zeigt sich auch in Ihrem Buch. Wie kommt das?

Antwort: Altwerden bedeutet ja, dass man länger lebt und jeder Tag ist ein Gewinn. Deswegen finde ich Altwerden ziemlich schön, denn die Alternative heißt jung sterben. Die Einschränkungen, die man hat, finde ich normal. Es gibt Krankheiten und Zipperlein. Aber über allem schweben mein Vergnügen am Leben, meine Lust, mein Spaß und mein Humor.

Wenn ich irgendwas nicht mehr kann, dann lache ich eher. Es ist auch nur ein Zeichen, das ich lebe. Der Tod ist das Ende und ich hoffe darauf, dass mein Körper und mein Geist sich auch darauf einstellen und dass eine Müdigkeit mich davonträgt.

ZUR PERSON: Patricia Riekel war 20 Jahre lang Chefredakteurin der Illustrierten «Bunte» – und selbst häufiger Gast auf dem Roten Teppich. 2016 zog sie sich zurück, ein Jahr später hörte sie auch als Herausgeberin des People-Magazins auf. Riekel sitzt für die FDP in München im Bezirksausschuss Bogenhausen. Ihr Lebensgefährte ist der frühere «Focus»-Herausgeber und FDP-Landtagsabgeordnete Helmut Markwort. Das Paar lebt in München und am Starnberger See.

Patricia Riekel, Wer bin ich, wenn ich nichts mehr bin, Wilhelm Heyne Verlag, München 2021, 288 S., 20 Euro, ISBN: 978-3-453-20736-3

Copyright 2021, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten, Interview: Cordula Dieckmann, dpa

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