«Noch wach?» heißt der neue Roman von Benjamin von Stuckrad-Barre. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Jens Kalaene/dpa)

Bestseller-Autor Benjamin von Stuckrad-Barre hat am Mittwoch seinen mit Spannung erwarteten Roman «Noch wach?» veröffentlicht. Am Abend gab er im Theater Berliner Ensemble seine erste Lesung vor Publikum mit zahlreichen Promis. In einem am selben Tag erschienenen «Spiegel»-Interview verwahrte sich der 48-Jährige dagegen, dass es sich – wie zuvor in Medienberichten spekuliert – um einen Schlüsselroman über das Medienhaus Axel Springer handeln könnte.

Schriftsteller von Stuckrad-Barre sagte auf die Frage der «Spiegel»-Interviewer, ob er einen Schlüsselroman über den Verlag («Bild», «Welt») geschrieben habe: «Schlüsselroman? Auf gar keinen Fall. Was ist das auch für ein unangenehmes Wort, was soll das überhaupt bedeuten? Bei „Schlüsselroman“ denken alle an die falsche Tür.»

«Klassiker der SMS-Kommunikation»

«Noch wach?» heißt das belletristische Werk mit 370 Seiten. Stuckrad-Barre ist bekannt durch Bücher wie «Soloalbum» und «Panikherz». Der Autor sagte in dem Interview: «“Noch wach?“ ist doch ein Klassiker der SMS-Kommunikation. Fast jeder, der mal eine Weile im Nachtleben unterwegs war, hat das selbst schon geschrieben oder eine so lautende Nachricht bekommen – nur eben besser nicht im Rahmen eines beruflichen Abhängigkeitsverhältnisses.»

Im Buch wird gleich zu Beginn betont, dass es zwar «in Teilen inspiriert von verschiedenen realen Ereignissen» sei. Der Roman sei «jedoch eine hiervon losgelöste und unabhängige fiktionale Geschichte». Der Autor habe «ein völlig eigenständiges neues Werk geschaffen».

Am Abend las der 48-Jährige auf der Bühne im Berliner Ensemble rauchend aus einigen Kapiteln vor. Auch hier betonte er erneut das Fiktive in seinem Werk und sagte etwa: «Es gibt so viele ausgedachte Personen in diesem Buch – das ist unglaublich.»

«Machtstrukturen und Machtmissbrauch»

Im ersten Kapitel wird ein entstehendes Vertrauensverhältnis zwischen einer Auszubildenden und dem Chefredakteur eines TV-Senders geschildert. Der Autor skizziert, wie die junge Frau sich geschmeichelt fühlt durch Anerkennung und Aufmerksamkeit ihres Chefs. Sie essen zusammen mittags in seinem Büro, verabreden sich dann auch für abends, heißt es.

In einem der vorderen Kapitel taucht auch ein Freund (sie seien «praktisch Brüder») des Erzählers auf, dem ein Fernsehsender gehört. Unterwegs im Westen der USA berichtet der Erzähler im Auto diesem Freund von Nachrichten, die er als problematisch einstuft. Diese Nachrichten habe der Sender-Chefredakteur einer jüngeren Angestellten geschickt. Der Ich-Erzähler äußert deutlich seine Abneigung gegen den Chefredakteur.

Der Buchverlag Kiepenheuer & Witsch hatte angekündigt, es handele sich um ein «Sittengemälde unserer Zeit». Der Roman erzähle von «Machtstrukturen und Machtmissbrauch, Mut und menschlichen Abgründen». Er spielt unter anderem in der Medienbranche und behandelt auch die #MeToo-Bewegung.

«Ein offenes Geheimnis»

Schon Tage vor der Erscheinung hatte Stuckrad-Barre mit einer PR-Aktion auf sich aufmerksam gemacht: Zahlreiche Prominente, darunter Schauspieler, Musiker und Journalisten der ARD, sprachen Überschriften der insgesamt 18 Kapitel auf, die über sein Instagram-Profil peu à peu an die Öffentlichkeit gelangten. Sie heißen zum Beispiel «Dann müssen sich die Frauen auch nicht wundern», «Männer des Westens», «Jetzt wird’s schmutzig» oder «Ein offenes Geheimnis».

Anfragen beim Verlag Kiepenheuer & Witsch, das Buch vorab lesen zu können, liefen ins Leere. Am Mittwoch war der Roman dann in Buchläden zu kaufen, die Startauflage liegt nach Verlagsangaben bei 160.000 Exemplaren. Der «Spiegel» veröffentlichte am Vormittag online das gesamte erste Kapitel des Romans, daneben das Interview mit dem Autor.

Der Autor gab dem öffentlich-rechtlichen Sender ZDF ebenfalls vorab ein Interview, das Gespräch wurde am Abend in den Hauptnachrichten «heute journal» präsentiert. Er sagte: «Sagen wir mal: Ein Chef und eine Volontärin verlieben sich am Arbeitsplatz ineinander, wunderschöne Geschichte. Am Faxgerät ging es los, und heute kann sie keiner mehr trennen.» Und weiter: «Aber ist es für beide gleich leicht, diese Beziehung zu beenden? Die Antwort ist klar. Und da findet Machtmissbrauch statt.»

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