Nach zwei Jahren hat sich das Klangbild des in Halberstadt im Harz aufgeführten, langsamsten Musikstücks der Welt zum 16. Mal verändert. Am Montag gab es beim auf 639 Jahre angelegten Orgelstück ORGAN²/ASLSP («As SLow aS Possible») des Künstlers John Cage (1912-1992) einen Klangwechsel. Damit ist aus dem seit Februar 2022 in der Burchardi-Kirche zu hörenden Sechsklang ein Siebenklang geworden.
Die siebte Pfeife mit dem eingestrichenen d soll für viereinhalb Jahre – also bis 5. August 2028 – durchgehend erklingen. Bis dahin stehen nach Angaben der John-Cage-Orgel-Stiftung Halberstadt weitere Klangwechsel im August 2026, Oktober 2027 und April 2028 an. Den Klangwechsel nahm der Kuratoriumsvorsitzende der Stiftung, Rainer O. Neugebauer, vor mehreren Hundert Gästen vor. Er setzte die Pfeife in die Orgel ein, die Veränderung war deutlich zu hören.
Doppelt so viele Kameras wie Pfeifen
Neugebauer erlebte nach eigenen Angaben bisher alle Klangwechsel bis auf einen. Bereits 2004 fügte er eine Pfeife hinzu. «Die ersten Wechsel waren familiär. Heute haben wir doppelt so viele Kameras wie wir Pfeifen haben.» Die Klangwechsel des ersten Teils des Orgelstücks sind bis 2072 berechnet.
Das Orgelstück des US-amerikanischen Avantgardisten Cage, der auch Musiker und Philosoph war, ist nach Stiftungsangaben zu einem weltweit anerkannten Referenzobjekt moderner Musik und Kunst geworden. Eine eigens gebaute und automatisch betriebene Orgel spielt das Stück seit 5. September 2001 ununterbrochen. Der erste «Klang» war die Inbetriebnahme des Blasebalgs, erst am 5. Februar 2003 waren die ersten drei Pfeifentöne zu hören. Bis heute gab es mehrere Klangwechsel – die längste Pause gab es mit sieben Jahren zwischen 2013 und 2020. «Cage ging es um die Befreiung von Klängen», sagte Neugebauer. Wer zuhöre, solle seinen Geist leeren.
Begleitet wird der Klangwechsel von einem Rahmenprogramm im Halberstädter Cage-Haus, darunter eine Ausstellung mit zehn Originalbildern aus der Serie «Zen Ox-Herding Pictures» von Cage. Das Haus ist auch Ort für Lesungen, Workshops, Diskussionen und Wettbewerbe, wie es hieß.
Es gibt schon Tickets fürs Finale 2640
Die Stiftung kritisiert seit Langem die fehlende finanzielle Unterstützung durch Land und Bund. Zwar werde das Cage-Projekt wegen seiner Einzigartigkeit für das Kulturmarketing genutzt, was hinsichtlich einer notwendigen institutionellen Förderung aber bisher zu keinem greifbaren Ergebnis geführt habe, hieß es. Gestemmt werde alles über Spenden, durch Privatgelder, einen Förderverein und das Ehrenamt.
Bereits heute verkauft die Stiftung sogenannte Final-Tickets für die Abschlussveranstaltung am 4. September 2640 – zur weiteren Finanzierung des Projekts. Eines kostet: 2640 Euro.