Die Berlinale hat sich von den Äußerungen einzelner Filmschaffender zum Krieg in Nahost bei der Preisverleihung am Samstagabend distanziert. «Die Äußerungen von Preisträger*innen sind unabhängige individuelle Meinungen. Sie geben in keiner Form die Haltung des Festivals wieder», teilte eine Berlinale-Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur auf Nachfrage mit. «Solange sie sich innerhalb der gesetzlichen Grenzen bewegen, müssen wir sie akzeptieren», hieß es weiter. Die Berlinale habe Verständnis dafür, dass die Äußerungen einiger Preisträgerinnen und Preisträger «als zu einseitig empfunden wurden» – wies aber auch darauf hin, dass Meinungsäußerungen bei Kulturveranstaltungen nicht grundsätzlich verhindert werden könnten und sollten.
Während der Preisverleihung am Samstagabend hatten mehrere Preisträger sich in einer Weise zum Gaza-Krieg geäußert, die für Kritik sorgte. Auffällig war nach Ansicht von Kritikern vor allem, dass viele Beteiligte auf der Bühne einseitig Vorwürfe gegen Israel erhoben, ohne den Terrorangriff der islamistischen Hamas vom 7. Oktober 2023 zu erwähnen oder eine Rückführung der israelischen Geiseln zu fordern. Lediglich die Co-Chefin der Berlinale, Mariette Rissenbeek, hatte andere Töne angeschlagen: «Wir fordern Hamas auf, die Geiseln umgehend freizulassen und wir fordern Israel dazu auf, alles erdenklich Mögliche zu tun, um die Zivilbevölkerung in Gaza zu schützen und dafür zu sorgen, dass dauerhaft Frieden in der Region wiederkehren kann.»
Israels Botschafter machte der «deutschen Kulturszene» heftige Vorwürfe. «Antisemitische und israelfeindliche Äußerungen» seien mit tosendem Applaus bedacht worden, schrieb Ron Prosor am späten Sonntagabend im Portal X (früher Twitter). «Es scheint, dass die Lektion aus der Documenta nicht begriffen wurde. Unter dem Deckmantel der Rede- und Kunstfreiheit wird antisemitische und antiisraelische Rhetorik zelebriert.»
Der Zentralrat der Juden wies auf X am Sonntagabend darauf hin, dass bei der Berlinale «schon wieder eine der wichtigsten Kulturveranstaltungen in Deutschland für ideologische Hetze gegen Israel und Juden missbraucht» wurde. Damit spielt der Zentralrat wohl auf die vergangene documenta fifteen im Jahr 2022 an, die vom Umgang mit als antisemitisch kritisierter Kunst überschattet wurde.
Filmschaffende forderten Ende der Kämpfe in Gaza
Die Berlinale war in diesem Jahr besonders stark von politischen Debatten geprägt. Bereits bei der Eröffnungsgala hatten einige Filmschaffende ein Ende der Kämpfe in Gaza zwischen Israel und der Hamas gefordert. Bei der Preisverleihung am Samstag trugen mehrere Menschen auf der Bühne Zettel mit der Aufschrift «Ceasefire Now» (etwa: «Feuerpause jetzt») – womit sie für ein Ende der militärischen Aktionen Israels gegen die Terrororganisation Hamas in Gaza protestierten.
Hinzu kam am Sonntag ein israelfeindlicher Beitrag auf der Instagram-Seite der Panorama-Sektion der Berlinale, der schnell wieder gelöscht wurde und im Anschluss als Screenshot auf X kursierte. Auf einem Foto war der Spruch «Free Palestine – From the River to the Sea» («Befreie Palästina – vom Fluss bis zum Meer») zu sehen. Mit dem Satz ist gemeint, es solle ein freies Palästina geben auf einem Gebiet vom Fluss Jordan bis zum Mittelmeer – dort, wo sich jetzt Israel befindet. Das Filmfestival distanzierte auch hiervon und gab an, Opfer eines Hackerangriffs geworden zu sein. «Dass jemand einen Berlinale Social-Media-Kanal für antisemitische Hetze missbraucht, ist unerträglich», hieß es auf Nachfrage der dpa. Die Posts seien sofort gelöscht worden, zudem werde untersucht, wie es zu dem Vorfall habe kommen können. «Und wir haben Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt. Wir verurteilen diesen kriminellen Akt aufs Schärfste.»