Nackte Männerkörper so weit das Auge reicht. Und dazwischen zwei Frauen, die um ihr Leben ringen. Martin Kusej hat für die Salzburger Festspiele Friedrich Schillers «Maria Stuart» als fast abstrakten Psychothriller inszeniert, in dem Birgit Minichmayr in der Titelrolle und Bibiana Beglau als Königin Elisabeth ihre darstellerische Kraft voll ausspielen.
«Ich kann mir durchaus vorstellen, dass Schiller heute ein sehr gefragter Sky- oder HBO-Autor wäre», sagte der Regisseur kürzlich über den Dichter, dessen Königinnendrama in Salzburg am Samstagabend vom Publikum begeistert aufgenommen wurde.
Fans von «The Crown» und anderen Serien über gekrönte Häupter tauchen über viele Folgen und Staffeln hinweg in die Welt der adeligen Intrigen ein. Kusej hat nur einen Abend Zeit, um die letzten Tage der gefangenen schottischen Königin Maria Stuart zu erzählen, die nicht nur ihrer englischen Rivalin Elisabeth ausgeliefert ist, sondern auch verschiedenen männlichen Höflingen und vermeintlichen Beschützern.
Der Regisseur und Chef des Wiener Burgtheaters sowie seine Bühnenbildnerin Annette Murschetz setzen auf sparsame theatralische Mittel wie ein abgetrenntes Haupt, eine schwingende Glühbirne oder düsteren Nebel. Aber vor allem setzen sie auf 30 stumme Komparsen, die mit ihren meist nackten Körpern als lebendes Bühnenbild die totale männliche Dominanz darstellen, von der das Stück erzählt.
Kusejs Inszenierung kommt allerdings nur langsam in Fahrt. Minichmayr, an ein rotes Halsband und eine rosa Leine gefesselt, verharrt bei ihrer ersten Szene mit minimalem Bewegungsradius auf der Stelle. Doch im Laufe des Abends zeigt die Schauspielerin vor allem durch großartige Mimik das ganze Ausmaß des Grauens, das sie durchlebt – vom Hoffen auf Gnade über Trotz bis zum Entsetzen über den nahenden Tod.
Beglau gibt die zwischen Gefühl, Macht und Machenschaften zerrissene Elisabeth. Was auf den ersten Blick nach ein wenig zu viel Emotion für eine englische Herrscherin aussieht, entpuppt sich jedoch als facettenreiche Darstellung einer Königin, die im Innersten trotz aller Politik Mensch sein will.
Den Frauen gegenüber steht ein hochkarätiges kleines Ensemble an männlichen Darstellern, die wie Minichmayr und Beglau zum Ensemble des Burgtheaters gehören. Itay Tiran zeichnet als Graf von Leicester ein psychologisch überzeugendes Bild eines schmierigen Günstlings, der auf Kalkül statt auf Liebe setzt; Norman Hacker als Baron von Burleigh brilliert als bösartig-brutaler Einflüsterer Elisabeths.
Die Männer in dem Stück reden die zwei Frauen nieder, zerren an ihnen, versuchen sie zu manipulieren. Seit dem Tod Stuarts 1587 und der Uraufführung des Stücks im Jahr 1800 scheint sich also nicht allzu viel geändert zu haben, wenn man auf die Debatten über sexuelle Übergriffe, die gnadenlose Berichterstattung über englische Royals oder die Vormundschaft der früheren Pop-Königin Britney Spears blickt. Am Ende von Kusejs Inszenierung verwandeln sich die drei Wände des kargen Bühnenbilds dann auch passend in einen riesigen Spiegel, in dem das Publikum sich selbst erkennt.