Im eigenen Land von Musikkritikern oft unterschätzt, gilt Toto Cutugnos Musik im Ausland als italienischer Exportschlager schlechthin. «Ich bin ein Italiener. Ein echter Italiener.» Wenn er den Refrain seines wohl berühmtesten Liedes anstimmte, vermittelte Cutugno seinen ausländischen Fans Italiengefühl pur.
Mit «L’Italiano» (Der Italiener), den meisten wohl eher unter dem Refrain «Lasciatemi cantare» (Lasst mich singen) bekannt, und weiteren Hits zeigte er, dass er ein ernstzunehmender Komponist war. Am Dienstag starb Cutugno im Alter von 80 Jahren nach langer Krankheit in Mailand, wie sein Management der Deutschen Presse-Agentur bestätigte.
Mehr Italien-Klischees geht nicht
In «L’Italiano» (Der Italiener) besang Cutugno alle nur denkbaren italienischen Stereotype. Vom Fiat 600 über die Mentholrasiercreme bis hin zum blauen Nadelstreifenanzug. Und natürlich dürfen auch die Spaghetti – «al dente» wohlgemerkt – und der starke Espresso nicht fehlen. Mehr Klischees gehen kaum. Wahrscheinlich deswegen wurde ihm insbesondere in Italien nachgesagt, zwar ein Schlagerkönig zu sein, ein ehrwürdiger Cantautore, also Singer-Songwriter, jedoch nicht.
Häufig hatte Cutugno sich auch öffentlich darüber geärgert, dass ihn italienische Musikkritiker wegen seiner seichten Popnummern als Schlager- und Hit-Maschine bezeichneten. Mit seinen Liedern machte er sich auch über die Grenzen des Mittelmeerlandes hinaus in den 1980er und 1990er Jahren einen Namen. Da scheint die Passage nach dem «L’Italiano»-Refrain fast schon an seine Kritiker gerichtet gewesen zu sein: «Weil ich stolz darauf bin.»
Mit 100 Millionen verkauften Alben gehört Cutugno in Italien zu den Superstars – als Botschafter der italienischen Musik in der Welt sieht man ihn. Insgesamt 15 Mal nahm er an dem legendären Sanremo-Festival als Interpret teil – aber nur einmal gewann er den Wettbewerb: 1980 Mit dem Lied «Solo noi» (Nur wir). Weitere 15 Mal komponierte er für Sanremo-Teilnehmer die Lieder.
Auf der Vespa zum Musikunterricht
1943 kam er als Salvatore Cutugno im toskanischen Fosdinovo als Sohn von Sizilianern zur Welt. Seine Familie und ihn verschlug es früh in die ligurische Stadt La Spezia. Früh interessierte sich Cutugno für die Musik. Anfang der 1950er Jahre nahm ihn sein Vater zu einer Probe der Musikkapelle von La Spezia mit. Sofort war es um den damals Neunjährigen geschehen. Er lernte Schlagzeug und Akkordeon. Später erinnerte er sich, wie sein Vater ihn auf seiner Vespa zum Musikunterricht brachte – Cutugno senior am Steuer und Cutugno junior hinten mit dem Akkordeon auf dem Rücken.
Der Italiener hatte sich schon in den 1970er Jahren als erfolgreicher Songschreiber und Komponist etabliert: Lieder für Stars wie Mireille Mathieu («Ciao bambino, sorry»), Dalida («Laissez moi danser»), Gérard Lenorman («Voici les clés») und Adriano Celentano («Il tempo se ne va») kamen von ihm. Er schrieb auch für den US-amerikanischen Sänger Ray Charles ein Lied – das von dem «Hohepriester des Soul» gesungene «Good love gone bad» stammt aus Cutugnos Feder. Er gilt wegen der Songs, die er für Künstler schrieb, als Hit-Maschine.
Er siegt beim Eurovision Song Contest 1990
1983 gelang ihm dann auch als Sänger international der Durchbruch: In Sanremo trat er mit «L’Italiano» auf einer passend mit der italienischen Flagge geschmückten Bühne auf. Er belegte den vierten Platz, das Lied wurde jedoch weltweit ein Riesenerfolg. Auch nach Jahrzehnten war Cutugno seinen mit liebevollen Italien-Klischees gespickten Hit nicht leid. Im Gegenteil: In einem Interview erzählte er, er habe bei dem Song bis zuletzt «große Momente der Freude und Rührung» verspürt.
Sein Sieg beim Eurovision Song Contest 1990 in Zagreb mit der Europa-Hymne «Insieme 1992» («Zusammen») zählt danach zu seinen größten Erfolgen. Aus Italien gelang der Sieg vor Cutugno nur Gigliola Cinquetti 1964 und nach ihm 2021 der Rockgruppe Måneskin. «Insieme 1992» war seine Liebeserklärung an das sich nach dem Mauerfall vereinigende Europa. Er sang davon, die Nationen Europas zusammenzubringen, und traf genau die richtige Stimmung für die Show. «Unite, unite, Europe» hieß es auf Englisch im Refrain. 1998 brachte Roland Kaiser davon die deutsche Cover-Version «Extreme» heraus.
Später wurde es um Cutugno immer ruhiger. Große Erfolge blieben aus und er machte sich rar. Doch sein mäßiger Erfolg nach seinen zwei Top-Hits tat seiner Popularität keinen Abbruch. Cutugno gilt als die Ikone des Italo-Schlagers. «L’Italiano» gehört laut Umfragen zu den drei bekanntesten Liedern aller Zeiten in Italien. Bis heute singen und schunkeln sowohl Nicht-Italiener als auch junge Menschen nach Cutugnos Zeit zu dem Erfolgssong.
Im Alter plagten den Vollblutitaliener gesundheitliche Probleme. 2007 erkrankte er an Prostata-Krebs. Eine Operation und Therapie heilten ihn. Ein befreundeter Musiker berichtete später zudem, er sei nach einer Operation, bei dem ihm eine Niere entfernt wurde, bis zuletzt gesundheitlich angeschlagen gewesen.
Zwar wagte der Italiener Anfang der 2000er Jahre noch einmal den Schritt in die Öffentlichkeit und auf die große Bühne – 2005 und 2010 sang er wieder in Sanremo. Doch von Jahr zu Jahr ist es um ihn immer ruhiger geworden. Wenn er auch von Musikkritikern nie als ehrwürdiger Cantautore angesehen wurde, so sehen viele ihn und seine Musik als echtes italienisches Kulturgut. Der «echte Italiener» wird auch kommende Generationen begeistern.