«Schreib ohne Furcht und viel. Eine Liebesgeschichte in Briefen 1944 - 1959». (Urheber/Quelle/Verbreiter: --/Rowohlt Verlag/dpa)

«Schreib mir Dein Begehren, Deine Liebe, tu, als wärst Du nackt vor mir, liefere Dich aus. Ich berste und ich brenne». Es sind schmachtende Worte, die der Schriftsteller und Philosoph Albert Camus im Februar 1950 an die Schauspielerin Maria Casarès schrieb.

Der Brief ist einer von über 800, die sich die beiden in rund 15 Jahren geschrieben haben. Die umfangreiche Liebeskorrespondenz hat in Frankreich für viel Aufsehen gesorgt. Nun gibt es die Briefe auch auf Deutsch.

Seit einiger Zeit haben Liebesbriefe bekannter Männer und Frauen Konjunktur. Manche wurden erst vor wenigen Wochen neu aufgelegt, wie die Korrespondenz zwischen Ingeborg Bachmann an Paul Celan, bewegende Zeugnisse zweier deutschsprachiger Dichter, die einander brauchten und doch nicht miteinander leben konnten. Oder die 2015 neu editierten Briefe von Franz Kafka an seine Verlobte Felice Bauer, die zu den persönlichsten Dokumenten des Autors («Der Prozess») zählen. Auf großen Erfolg stießen 2016 in Frankreich die 1200 geheimen Liebesbriefe des Ex-Präsidenten François Mitterrand an seine Geliebte Anne Pingeot.

Unter dem Titel «Schreib ohne Furcht und viel. Eine Liebesgeschichte in Briefen 1944-1959» entpuppt sich Camus als leidenschaftlich Liebender, vor allem aber als Autor, dessen Bild weit von dem offiziellen Image des Schriftstellers von «Der Fremde» und «Die Pest» entfernt ist. Zwar galt Camus als Womanizer (seine Liebschaften sind dank zahlreicher Biografien bekannt). Dennoch spiegelt der Briefwechsel eine Beziehung wider, die man von Camus so vielleicht nicht erwartet hätte. Sie steht im starken Kontrast zu Camus‘ Geisteshaltung der «Indifférence», der Gleichgültigkeit, die man in seinen Romanen findet.

Catherine Camus, die Tochter des Schriftstellers und Philosophen, hat lange gezögert, die Korrespondenz ihres berühmten Vaters an seine junge Geliebte zu veröffentlichen. Sie habe die Briefe lange ruhen lassen, wie sie der Wochenzeitung «L’Express» sagte. Denn die Briefe seien sehr intim.

Liebesbriefe tauchen schon früh in der römischen Antike auf. Als literarische Form gehen sie höchstwahrscheinlich auf die Renaissance zurück. In Zeiten von E-Mails oder Messenger-Diensten hat sich unsere Liebeskommunikation zweifelsohne geändert. Oft ist sie kurz, ohne Umschweife oder ganz in Emojis gefasst. Briefe wie jene von Camus bieten in ihrer ausschweifenden, archaischen Romantik für manchen Leser oder manche Leserin womöglich einen willkommenen Kontrast.

Gilles Philippe, Professor für französische Linguistik an der Universität Lausanne, sieht die Faszination für Liebesbriefe in ihrem Bezug zum Autobiografischen, zum «echten Leben» begründet. Unsere Zeit sei der Fiktion gegenüber misstrauisch, sagte der Akademiker der französischsprachigen Tageszeitung «Le Temps» in der Schweiz. Leser von heute verlangten, dass Geschichten von der Realität untermauert werden.

Die Schriftstellerin Kéthévane Davrichewy weist die Renaissance der Liebesbriefe in der Literatur ihrem hohen Romantikwert zu. Sie würden den Zugang zu Liebeswörtern ermöglichen, die man heute nicht mehr zu hören und noch weniger zu formulieren gewohnt sei, sagte sie der französischen Tageszeitung «Le Monde».

Auch für den Verleger und Historiker Alban Cerisier, der in «Le Monde» zu Wort kommt, liegt die heutige Faszination in unserer Zeit begründet, in der wir wenig schreiben und alles schnell geht. Diese Bücher würden uns daran erinnern, dass sich wahre Liebe verbal und schriftlich ausdrücken lässt. Die Faszination der Öffentlichkeit für diese Zeugnisse liege vielleicht in der Möglichkeit begründet, dass sie uns eine Sprache für die Liebe zurückgeben.

Schreib ohne Furcht und viel. Eine Liebesgeschichte in Briefen 1944 – 1959», übersetzt von Claudia Steinitz, Andrea Spingler, Tobias Scheffel, Rowohlt Verlag, Hamburg, 1568 Seiten, ISBN 9783498001315, 50 Euro.

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