Fast wie in echt: Besucherinnen des Cazoo Derby in Surrey posieren für ein Selfie mit einem Pappausschnitt der Queen. Doch nicht alle Briten sind Fans der Monarchie. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Andrew Matthews/PA Wire/dpa)

Auf den ersten Blick ist es eine bombastische Jubelfeier für die Queen, doch ein wenig wirkt es bereits wie ein pompöser Abschied für die Rekord-Königin. Bei den Festivitäten zum 70. Thronjubiläum von Elizabeth II. zieht das Vereinigte Königreich alle Register.

Am Samstag stehen ein Pferderennen – die Queen ist ein riesiger Fan des Reitsports – sowie ein Mega-Konzert mit vielen Stars am Buckingham-Palast auf dem Programm. Für insgesamt vier Tage ist das Land in einen royalen Rausch verfallen, quasi jeder mit Rang und Namen beteiligt sich an den Feiern, Millionen Briten bejubeln landesweit ihre 96 Jahre alte Monarchin. Aber schaut man genauer hin, wird klar, dass beileibe nicht alle Briten mitmachen. Und Gegner der Royal Family hoffen, dass nach der königlichen Feier ein kolossaler Monarchie-Kater folgt.

Die meisten sind indifferent

Der Mehrheit der Menschen im Land sei das «Jubilee» egal, sagte Graham Smith von der Anti-Monarchie-Organisation Republic der Deutschen Presse-Agentur. Er verwies auf eine Umfrage, die Republic beim Meinungsforschungsinstitut Yougov in Auftrag gegeben hat. Nur 11 Prozent bekundeten demnach großes und weitere 32 Prozent «ziemliches» Interesse. Hingegen waren 29 Prozent «nicht sehr» und weitere 25 Prozent «überhaupt nicht» interessiert. Letztlich würden sich viele Leute über einen zusätzlichen arbeitsfreien Tag freuen.

Es liegt nahe, dass das «Jubilee» der letzte große Auftritt der Queen sein dürfte. Zwar zeigte sich das Staatsoberhaupt vor allem zum Auftakt insgesamt drei Mal öffentlich, lächelnd und offenbar guter Laune. Doch der Tag habe die Königin angestrengt, war zu hören. Bei der Dankes-Messe in der Kathedrale St. Paul’s ließ sich die Monarchin ebenso entschuldigen wie am Samstag beim Pferderennen – dabei gelten Glaube und Pferde neben der Familie als ihre wichtigsten Eckpfeiler.

Immer häufiger lässt sich die Queen von ihrem ältesten Sohn Prinz Charles und ihrem Enkel Prinz William vertreten. Sie wolle die Dinge ordnen und zeigen, dass die Nachfolger ihr Vertrauen genießen, kommentieren Royals-Experten. Kritiker wie Smith aber sind überzeugt, der nahende Wechsel auf dem Thron werde zu einer historischen Zäsur führen. «Für die meisten Leute sind die Monarchie und die Queen dieselbe Sache», sagte der Aktivist. Deshalb hoffe er, dass das Ende der Queen auch das Ende der Monarchie einläute.

Charles deutlich unbeliebter

Die demografische Entwicklung scheint für die Gegner des Königshauses zu sprechen. Zwar unterstützen nach wie vor mehr als 60 Prozent der Briten die Institution. Doch die Zahl ist seit Elizabeths Diamantenem Thronjubiläum 2012 um gut zehn Punkte gesunken. Auffällig ist, dass die Unterstützung umso stärker nachlässt, je jünger die Befragten sind. In der Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen sind Gegner und Befürworter mit je rund einem Drittel fast gleichauf.

Wenn die Umfragewerte bereits zu Zeiten der durchaus beliebten Queen fallen, werde die Unterstützung mit ihrem deutlich unbeliebteren Sohn Charles weiter sinken, hofft Smith. Sowohl der Thronfolger als auch William seien den Leuten egal. «Die Chancen, dass (Williams Sohn) George einmal auf dem Thron sitzt, sind ziemlich gering.»

Argumente von Monarchie-Befürwortern wischt Smith beiseite, auch die wirtschaftlichen. Es gebe keinen Gegenwert für jährliche Steuerausgaben von Hunderten Millionen Pfund. Touristen würden weiterhin kommen und Fotos vom Buckingham-Palast machen. «Es macht keinen Unterschied, ob es die Monarchie gibt», behauptet Smith. Zudem seien die Royals weder demokratisch gewählt noch transparent in ihrem Handeln. Stattdessen sorgten sie mit Skandalen wie den Missbrauchsvorwürfen gegen Queen-Sohn Prinz Andrew für ein schlechtes Image.

Land zerrissen wie lange nicht mehr

Auch die Rolle der Queen als einigender Kraft für das Vereinigte Königreich zieht nach Ansicht der Kritiker nicht mehr. Zwar ist die Familie übers Wochenende in alle Landesteile gereist: Tochter Anne nach Schottland, Enkel William nach Wales und der jüngste Sohn Edward nach Nordirland. Doch das verdeckt nicht, dass das Land zerrissen ist wie lange nicht mehr. In Schottland streben viele Menschen nach Unabhängigkeit. Der Stadtrat von Glasgow weigerte sich, Geld für die «Jubilee»-Feiern auszugeben. In Nordirland hat kürzlich erstmals eine Partei die meisten Stimmen erhalten, die für eine Wiedervereinigung mit der zur EU gehörenden Republik Irland eintritt.

Von der Queen gibt es zur bröckelnden Union ebenso wenig ein Wort wie zu den explodieren Lebenshaltungskosten, die Millionen in Armut stürzen könnten. «No politics», lautet die eiserne Regel der Monarchin. Wenn die Königin – oder wie kürzlich in Vertretung ihr Sohn Charles – das Regierungsprogramm verliest, das ihr Downing Street aufgeschrieben hat, wirkt das angesichts der jahrhundertealten Rituale, schneidigen Uniformen und weißen Perücken eher wie Folklore. Aktivisten wie Smith sind sicher, dass solche Bilder bald Geschichte sein werden.

Australien geht auf Distanz

Die neue australische Regierung geht auf Distanz zum Staatsoberhaupt Queen Elizabeth II. Das 70. Thronjubiläum der Königin sei ein Anlass, über die Zukunft der früheren britischen Kolonie nachzudenken, sagte Kabinettsmitglied Matt Thistlethwaite der britischen Nachrichtenagentur PA.

Nach dem Ende von Elizabeths Regentschaft sei die Zeit für eine ernsthafte Debatte gekommen. «Australien ist ein unabhängiger Staat. Wir haben unsere eigene einzigartige Identität und Kultur», sagte Thistlethwaite. Alle Australier müssten die Möglichkeit haben, Staatsoberhaupt zu werden. Die Queen ist wie in vielen anderen Mitgliedstaaten des Commonwealth formal Staatsoberhaupt Australiens.

Auch in Kanada haben die Monarchie-Gegner Zulauf. Eine Umfrage des Angus Reid Institute im April ergab, dass 51 Prozent die Staatsform ändern wollen. «Heute sind wir eine multikulturelle Gesellschaft, deren koloniale Bindungen zu Großbritannien ein fernes Relikt sind», kommentierte der Kolumnist Bob Hepburn kürzlich im «Toronto Star». Eine Monarchie sei «lächerlich in einem modernen Land».

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