Nach dem Antisemitismus-Eklat im Zusammenhang mit auf der documenta fifteen gezeigten Kunstwerken hat die Staatsanwaltschaft Kassel die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgelehnt. Es sei kein «Anfangsverdacht wegen einer verfolgbaren Straftat» gegeben, teilte die Staatsanwaltschaft auf Anfrage mit. Zuvor hatte die «Hessisch/Niedersächsische Allgemeine» über das Thema berichtet.
Nach eigenen Angaben war die Behörde von Amts wegen aufgrund der Medienberichterstattung über die Antisemitismusvorwürfe hinsichtlich der Werke «People’s Justice» des Künstlerkollektivs Taring Padi sowie des Werks «Guernica Gaza» der Künstlergruppe Eltiqa tätig geworden. Auf dem großflächigen Banner von Taring Padi, das aufgrund der Vorwürfe kurz nach der Eröffnung der Kunstschau abgehängt worden war, war unter anderem ein Soldat mit Schweinsgesicht zu sehen. Beim Polizeipräsidium Nordhessen und der Staatsanwaltschaft hätten sich zudem insgesamt 25 Personen beziehungsweise Institutionen gemeldet und Strafanzeigen erstattet. Darin sei es im Wesentlichen um den Vorwurf gegangen, dass den betreffenden Kunstwerken antisemitischer beziehungsweise volksverhetzender Charakter beizumessen sei, hieß es.
Neben den Künstlern hätten sich die Strafanzeigen auch gegen Organisatoren der Ausstellung und Verantwortliche der documenta fifteen, also Kuratoren und politisch Verantwortliche, darunter vor allem den Kasseler Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD), gerichtet.
StA: Störung des öffentlichen Friedens kaum nachzuweisen
In einer 20-seitigen Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft hieß es unter anderem, der Umstand, dass das Großgemälde von Taring Padi bereits im Jahr 2002 im asiatischen Kulturraum entstanden sei und zuvor in anderen Ländern ausgestellt war, spreche «eher dagegen, dass ein Bezug zur inländischen jüdischen Bevölkerung intendiert war», auch wenn sich Teile der hiesigen Bevölkerung – etwa in Deutschland lebende Juden – dem Staat Israel «aus nachvollziehbaren Gründen in besonderer Weise verbunden fühlen», so die Behörde.
Auch eine Störung des öffentlichen Friedens sei kaum nachzuweisen. Zudem könne ein «Aufstacheln zum Hass» im Sinne der Volksverhetzung «in der bildlichen Darstellung (noch) nicht gesehen werden», hieß es. Auch eine Aufforderung zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen werde aus dem Werk von Taring Padi nicht hinreichend deutlich. Gleiches gelte auch für weitere Kunstwerke, gegen die sich die Anzeigen richteten.
Künstler stammem aus «völlig anderem Kulturkreis»
Einer «verfolgbaren Beleidigung sowie auch einer Volksverhetzung» stehe zudem entgegen, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass Künstlergruppe und Kuratoren «einem unvermeidbaren Verbotsirrtum» unterlegen seien, dass die Darstellungen von der Kunst- und Meinungsfreiheit gedeckt seien, da sie über Jahre hinweg weltweit an verschiedenen Orten ausgestellt wurden, «ohne dass es hierbei je zu strafrechtsrelevanten Beanstandungen oder auch nur Diskussionen» gekommen wäre, so die Staatsanwaltschaft. Außerdem seien die Künstler und Kuratoren, gegen die sich die Anzeigen richteten, «ausnahmslos der deutschen Sprache nicht mächtige Ausländer», die sich anlässlich der Kunstschau «lediglich vorübergehend in der Bundesrepublik aufgehalten haben und die aus einem völlig anderen Kulturkreis stammen», dessen Rechtssystem mit hiesigen Regularien nicht vergleichbar sei. Die documenta gilt neben der Biennale in Venedig als wichtigste Ausstellung für Gegenwartskunst.