Esther Bejarano (im Mai 2021). (Urheber/Quelle/Verbreiter: Axel Heimken/dpa)

Die am Samstag gestorbene KZ-Überlebende Esther Bejarano ist von vielen Politikern und Verbänden als wichtige Stimme im Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus gewürdigt worden.

Die Jüdin und engagierte Mahnerin gegen das Vergessen war am Samstag im Alter von 96 Jahren in ihrer Wahlheimat Hamburg nach kurzer, schwerer Krankheit gestorben. Bejarano hatte den Holocaust überlebt, weil sie Akkordeon im Mädchenorchester von Auschwitz spielte. Bis zu ihrem Tod war sie unter anderem Vorsitzende des Auschwitz-Komitees.

«Mit ihrem Tod haben wir einen großen Verlust erlitten», schrieb Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in einem am Samstag verbreiteten Kondolenzschreiben an die Kinder. Bejarano habe am eigenen Leib erfahren, «was es heißt, diskriminiert, verfolgt und gefoltert zu werden». Das Staatsoberhaupt merkte weiter an: «Wir verlieren mit ihr eine mutige Persönlichkeit, die sich bis zuletzt für die Verfolgten des Naziregimes eingesetzt hat.» Und mit Blick auf Bejaranos künstlerische Auftritte sagte er: «Wer sie je in ihrem musikalischen Element erlebt hat, wird sich immer daran erinnern: So mitreißend war sie!»

Das Auschwitz-Komitee organisierte noch für Samstagabend eine kleine Gedenkveranstaltung am Platz der Bücherverbrennung in Hamburg. Freunde, Bekannte und Interessierte legten dort Blumen, Kerzen und Botschaften ab. Kurz zuvor hatte das Komitee seine Vorsitzende unter anderem als «großartige, mutige und unerschütterliche Frau» gewürdigt. «Heute wollen wir innehalten. Und schweigen und trauern. Um dann Esther Bejaranos Auftrag zu erfüllen: «Nie mehr schweigen, wenn Unrecht geschieht».»

Bejarano starb am frühen Samstagmorgen im Israelitischen Krankenhaus in Hamburg, wie Helga Obens vom Vorstand des Auschwitz-Komitees der Deutschen Presse-Agentur bestätigte. «Sie hat nicht gelitten», sagte Bejaranos enge Freundin. Auch sei sie nicht allein gewesen, weil ihre Familie und ihre Freundinnen und Freunde in den letzten schweren Tagen bei ihr waren. Zuvor hatten mehrere Medien berichtet.

Bejarano engagierte sich jahrzehntelang gegen Rechtsextremismus und Rassismus, wofür sie zahlreiche Auszeichnungen erhielt, darunter das Bundesverdienstkreuz. Zusammen mit ihrem Sohn Joram und ihrer Tochter Edna sang sie jüdische und antifaschistische Lieder, zuletzt tourten sie mit der Kölner Hip-Hop-Band Microphone Mafia durch Deutschland. Im Mai dieses Jahres hatte sie noch mit einer Lesung an die Bücherverbrennung der Nationalsozialisten in Hamburg erinnert.

Außenminister Heiko Maas (SPD) würdigte Bejarano als «wichtige Stimme im Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus». In seinem Post schrieb er weiter: «Die wundervolle Ester Bejarano überzeugte mit ihrer Lebenskraft und unglaublichen Geschichte. Ihre Stimme wird uns fehlen.»

Das Internationale Auschwitz-Komitee erinnerte an das Schaffen der mutigen Frau. «Ihre Gabe, Menschen für die Bewahrung der Erinnerung zu gewinnen, war ebenso legendär wie ihr Zorn über die Dummheit des Rechtsextremismus und den überall hervorbrechenden Antisemitismus, der sie zutiefst verstörte», sagte Vizepräsident Christoph Heubner.

«Mit dem Tod von Esther Bejarano verliert Hamburg eine außergewöhnliche Bürgerin, die sich bis ins hohe Alter für das Gemeinwohl engagierte», sagte der Erste Bürgermeister der Hansestadt, Peter Tschentscher (SPD). «Mit ihren oft streitbaren Wortmeldungen hat sie über viele Jahrzehnte wichtige Impulse für Demokratie, Erinnerungskultur und Gleichberechtigung gegeben.»

Die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, rief dazu auf, das Engagement der Verstorbenen gegen Rechtsextremismus fortzusetzen. «Ihre Geschichte und ihre Stimme werden nicht zu ersetzen sein, aber ihren Einsatz müssen wir alle weitertragen.»

Die Linke will Bejarnos Weg weiter folgen. «Sie ist ein Vorbild für uns und ihr Lebensweg bleibt uns ein Auftrag», sagten die beiden Bundesvorsitzenden der Partei, Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow. Sie zitierten dazu einen ihrer berühmten Sätze: «Den jungen Leuten sage ich: Ihr habt keine Schuld an dem, was passiert ist. Aber ihr macht euch schuldig, wenn ihr nichts über diese Zeit wissen wollt.»

Geboren wurde Esther Bejarano am 15. Dezember 1924 in Saarlouis als Tochter eines jüdischen Oberkantors. Ihre Eltern wurden 1941 von den Nazis in Litauen umgebracht, sie selbst musste in einem Lager Zwangsarbeit leisten, bevor sie Anfang 1943 ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert wurde. Dort überlebte sie dank ihres Einsatzes im Mädchenorchester des Lagers. Nach dem Krieg wanderte die junge Frau nach Israel aus, kehrte 1960 jedoch mit ihrem Ehemann nach Deutschland zurück.

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