Unter dem Motto «Nicht selbstverständlich» hat der Privatsender ProSieben bis in den frühen Donnerstagmorgen sein Programm freigeräumt, um werbefrei den Alltag einer Pflegekraft in Deutschland zu zeigen.
Zahlreiche Frauen und Männer aus Krankenhäusern und Altenheimen kamen außerdem zu Wort, um auf die Probleme in der Pflege hinzuweisen. Begleitet wurde in Echtzeit per kleiner Kamera eine ganze Schicht der gewissenhaften und stets freundlichen Gesundheits- und Krankenpflegerin Meike Ista im Knochenmark- und Transplantationszentrum der Uniklinik Münster.
Die Entertainer Joko Winterscheidt (42) und Klaas Heufer-Umlauf (37) hatten mal wieder Sendezeit zur freien Verfügung erspielt und nutzten sie diesmal, um auf den Pflegenotstand hinzuweisen.
Tausende twitterten am Abend und nachts zum Thema Pflege.
Selbst Konkurrenzsender RTL lobte: «Starke Aktion, ProSieben! Ein beeindruckendes Zeichen für die Pflege!» RTLzwei twitterte: Standing Ovations, ProSieben. Heute seid Ihr definitiv der Reality Sender Nr. 1. Ganz große Klasse und ganz großen Dank!»
Beim Twitter-Account von Arte hieß es: «Was da gerade bei ProSieben passiert, dürfte ein Stück deutsche TV-Geschichte sein.»
Und der Medienjournalist Stefan Niggemeier schrieb: «Das, was da gerade auf ProSieben läuft, ist nicht nur eine wichtige Aktion von Joko und Klaas, sondern auch richtig gutes Fernsehen.»
ProSieben twitterte: «Bitte helft, dass aus diesem Abend eine große Respektkundgebung wird, die etwas ändert.» Und Senderchef Daniel Rosemann schrieb: «Wir sind heute Ort für eine Demo. Für eine Demo, für die die Teilnehmer vor lauter Überstunden keine Zeit haben.»
Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz äußerte sich ebenfalls: «Danke Joko und Klaas für diese Sendung! Und – man kann es nicht oft genug sagen – Danke an alle Pflegerinnen und Pfleger! Ohne sie geht nichts. Antwort auf diese Erkenntnis ist nicht, Beifall zu klatschen. Respekt heißt: gute Löhne und Arbeitsbedingungen.» Unter dem Tweet des Vizekanzlers sammelte sich einige Kritik.
Der in der Sendung vorkommende Krankenpfleger und Sozialdemokrat Alexander Jorde twitterte: «Ich will keine Worte mehr, ich will Taten. Die SPD ist Teil der Bundesregierung. Du bist Vizekanzler, Olaf Scholz. Worauf warten wir? Wann, wenn nicht jetzt? Hört auf zu reden. Handelt! Wir haben keine Zeit mehr.»
Um 20.15 Uhr hatte die «Joko & Klaas Live»-Sonderausgabe begonnen, die mit etwa sieben Stunden viel länger dauerte als die üblichen 15 Minuten. Vor allem zu Beginn der Sendung wurden Stimmen und Köpfe von Pflegekräften wie Alexander Jorde aus Hildesheim oder Franziska Böhler aus Frankfurt/Main eingespielt, die auf die Not ihrer Branche hinwiesen. Seit Jahrzehnten versäumten es Politik und Gesellschaft, faire Bezahlung und gut machbare Arbeitsmengen zu organisieren.
Der Bielefelder Intensivpfleger Ralf Berning wies auf die andauernde Überbelastung hin. Er kenne Leute, die 23 Tage am Stück arbeiteten, das sei «völlig unmenschlich». Er sei lange Soldat gewesen und ginge lieber wieder nach Afghanistan, als noch einmal so etwas Schlimmes zu erleben wie während der zweiten Corona-Welle im Herbst.
Winterscheidt und Heufer-Umlauf behandeln in ihrer Sendung «Joko & Klaas Live» immer wieder gesellschaftlich relevante Themen. Die Sendezeit hatten sich die Moderatoren in der am Dienstag ausgestrahlten Show «Joko & Klaas gegen ProSieben» erspielt, in der sie in mehreren Wettkämpfen gegen ihren Arbeitgeber antreten.
Erstmals in der Geschichte der Show seit 2019 hatten die Entertainer diesmal ProSieben gebeten, nach ihrem Sieg mehr Sendezeit als die sonst übliche Viertelstunde zugestanden zu bekommen. Wie lange es werden würde, blieb anfangs für TV-Zuschauer unklar.
«Sowas stellt nämlich in so’nem Sender ein bisschen was auf den Kopf und widerspricht genau genommen jeder Regel des Fernsehens», leitete Klaas die Sondersendung ein. Joko ergänzte: «Ein Thema, das uns alle betrifft, mitten aus dem Leben, und dennoch zu oft ganz am Rand der allgemeinen Wahrnehmung. Viele Themen im Leben bekommen erst dann den Stellenwert, den sie verdient haben, wenn man die Gelegenheit bekommt, sich in ein Leben hineinzuversetzen, das nicht zwangsläufig das eigene ist.»