Man nennt ihn den «Godfather of British Blues». Seit den 1960er Jahren hat John Mayall den Blues geprägt wie nur wenige andere britische Musiker. In der von ihm gegründeten Band The Bluesbreakers spielten über die Jahrzehnte viele Stars.
Noch bis ins hohe Alter ging der einflussreiche britische Multiinstrumentalist und Bandleader regelmäßig auf Tournee, bevor er im vergangenen Jahr kürzer trat. Am 29. November wird John Mayall 90 Jahre alt.
Bereits 2021 hatte er vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie angekündigt, in Zukunft keine Tourneen mehr geben zu wollen. Vereinzelte Konzerte, vor allem in seiner Wahlheimat Kalifornien, schloss er vorerst nicht aus. Doch ein Auftritt im kalifornischen San Juan Capistrano im März vergangenen Jahres markierte dann offenbar doch seinen Abschied von der Bühne. Ein Live-Mitschnitt von «Room To Move» wird auf Mayalls Website als «finale Performance» präsentiert.
Musiker, Grenzgänger, Förderer
Obwohl er sich immer ein wenig abseits des Mainstreams bewegte, gilt der am 29. November 1933 im englischen Macclesfield nahe Manchester geborene Mayall als einer der einflussreichsten Musiker seines Genres. Seine Leidenschaft für den Blues und sein Bestreben zu experimentieren und musikalische Grenzen auszuloten, definierten seine langjährige Karriere.
Der Sänger, Gitarrist, Keyboarder und Mundharmonikaspieler machte sich zudem nicht nur als begnadeter Musiker einen Namen, sondern auch als Bandleader und Mentor, der Talente förderte und ihnen eine Plattform bot.
Die von ihm gegründete Band The Bluesbreakers, deren Mitglieder mehrfach wechselten, wurde zu einer Brutstätte für einige der größten Talente der britischen Musikszene. Die späteren Fleetwood-Mac-Musiker Peter Green, John McVie und Mick Fleetwood etwa, Mick Taylor, der Anfang der 70er für ein paar Jahre Gitarrist der Rolling Stones war, und nicht zuletzt Eric Clapton glänzten neben Mayall. Das Debütalbum «Blues Breakers with Eric Clapton» gilt als Klassiker.
Dass Mayalls Vater ein Gitarrist mit einer Leidenschaft für Blues und Jazz und mit einer großen Plattensammlung war, spielte sicher eine Rolle für seine Entwicklung. «Ich habe Jazz und Blues etwa zur selben Zeit wie den Boogie-Woogie entdeckt», erzählte Mayall dem «Guardian», «das gehörte für mich alles zusammen.» In einer Zeit, in der es noch keine Lehrvideos im Internet gab, brachte er sich selbst das Spielen mehrerer Instrumente bei.
Ein Spätstarter
Seine professionelle Karriere begann allerdings erst spät. Mayall war schon 30 Jahre alt, als er die Bluesbreakers gründete. Zuvor hatte er sich für drei Jahre als Soldat in Korea stationieren lassen und nach einem Kunststudium als Grafiker gearbeitet. Praktischer Nebeneffekt: Später gestaltete er viele seiner Plattencover selbst.
Musik spielte er zunächst nur nebenbei. Sein Freund Alexis Korner, selbst eine Blues-Legende, soll den Spätstarter schließlich überzeugt haben, die Musik zum Hauptberuf zu machen, und ihm Kontakte in London vermittelt haben. Ab 1963 traten John Mayall & The Bluesbreakers regelmäßig im berühmten Marquee Jazz Club auf, in dem ein Jahr zuvor auch die Rolling Stones ihr erstes Konzert gegeben hatten.
«Es war wie eine Explosion», erinnerte sich Mayall im Interview des Musikportals «Ultimate Classic Rock» an diese Zeit in London. «Es gab so eine Energie dort, denn die Leute kamen von überall aus dem Land, um sich in den Londoner Clubs einen Namen zu machen.»
Der Einstieg des ehemaligen Yardbirds-Gitarristen Clapton machte die Band noch viel bekannter. Nach dem Erfolg des 1966 veröffentlichten «Blues Breakers with Eric Clapton», das Platz sechs der britischen Albumcharts erreichte, legte Mayall im darauffolgenden Jahr umfassend nach und brachte 1967 gleich drei LPs heraus. Er veröffentlichte «A Hard Road» und «Crusade» mit den Bluesbreakers und zudem sein erstes Soloalbum. Auf «The Blues Alone» spielte er sämtliche Instrumente selbst, unterstützt wurde er nur bei einigen Songs von Schlagzeuger Keef Hartley, der ebenfalls bei den Bluesbreakers mitwirkte.
Ab 1970 verzichtete Mayall auf den Namen Bluesbreakers, musizierte aber weiter mit ehemaligen Mitgliedern. Auf seinem Album «Back To The Roots» spielen neben Clapton, Taylor und Hartley weitere Größen wie Harvey Mandel und Larry Taylor von Canned Heat oder der Rock’n’Roll-Geiger und Pionier der E-Violine, Sugarcane Harris.
Wenn Mayall rief, kamen die Stars. Das blieb so. Auf seinem Album «Along For The Ride» von 2001 wirkten unter anderem Gary Moore, Steve Miller, Chris Rea und ZZ-Top-Frontmann Billy Gibbons mit.
Erst 1982 reaktivierte er die Bluesbreakers in der Besetzung mit Mick Taylor, John McVie und Colin Allen für eine längere Welttournee, die ein Livealbum hervorbrachte. Mit Unterbrechungen war er weiter mit den Bluesbreakers aktiv. Über 100 verschiedene Kombinationen von Mitgliedern sollen unter dem Namen mit Mayall musiziert haben.
Rund 70 Alben veröffentlicht
Bei der hohen Zahl der Studio- und Livealben kann man leicht die Übersicht verlieren. Mit den Bluesbreakers und allein unter seinem Namen hat John Mayall bis heute rund 70 veröffentlicht. Sein wohl letztes war 2022 «The Sun Is Shining Down.» Von vielen früheren Aufnahmen existieren die Originalbänder nicht mehr, weil sie bei einem Brand seines Hauses in den Hollywood Hills 1979 zerstört wurden. 1970 war er in die USA übergesiedelt, wo er heute noch lebt.
John Mayall bekam 2005 im Buckingham-Palast den Order Of The British Empire verliehen und wurde 2016 in die «Blues Hall of Fame» aufgenommen. Sein Privatleben war etwas beständiger als die Besetzung seiner Bluesbreakers. Zweimal war Mayall verheiratet. Daraus gingen sechs Kinder hervor. Inzwischen ist er mehrfacher Großvater.