Draußen ist es windig und kalt. Drinnen in einem Hotel in Berlin-Neukölln ist es warm, und es lockt ein Geruch von Gänsekeule und Rotkohl. Frauen in Weihnachtsengelkostüm verteilen Schoko-Nikoläuse, Berlins Regierender Bürgermeister hat eine Schürze um und serviert Teller mit dem duftenden Weihnachtsessen bei Blitzlichtgewitter an die Gäste im Saal.
Nur der Initiator der Veranstaltung, Frank Zander, fehlt an diesem Freitagnachmittag bei der 29. Ausgabe der Weihnachtsfeier. Der 81-Jährige musste zu Hause bleiben, zu schwach war er noch nach den knapp zwei Wochen im Krankenhaus. Das letzte Machtwort sprach Evi Zander am Donnerstagabend, wie der Sohn Marcus Zander auf der Bühne sagte: «Mutter hat gesagt: Er bleibt im Bett. Punkt.»
Nur Frank Zander fehlt bei der Weihnachtsfeier
Geladene Gäste sind zum Beispiel Viola, Marie und Stephan. Auch Kinder laufen herum. Sie alle sind Berlinerinnen und Berliner, nur eben ohne Wohnung. Heiligabend, Silvester und alle anderen Tage werden viele von ihnen wohl auf der Straße verbringen. Stephan Wallerstein etwa ist jetzt schon zum zweiten Mal bei Zanders Fete dabei, 2016 oder 2017 war es das letzte Mal, sagt er. Eine Erinnerung hat sich bei ihm eingebrannt: «Frank Zander hat mich in den Arm genommen und hat mir zwei Hertha-Tickets zugesteckt für das Stadion. Das war geil», sagte der 50-Jährige.
Die Weihnachtsfeier fällt in diesem Jahr kleiner aus als sonst. In den Jahren vor der Corona-Pandemie wurden etwa 3000 Bedürftige verköstigt und beschenkt. Während der Pandemie waren die Zanders stattdessen mit Food-Trucks unterwegs. «Heute waren circa 1800 Menschen da», sagte Marcus Zander am Rande der Veranstaltung. Immer wieder wollen die Gäste seine Aufmerksamkeit. «Es ist schön zu wissen, dass die Gesellschaft zusammenhalten kann und dass wir was zusammen auf die Beine stellen.» Neben einem Festmahl und Sachgeschenken gab es auch Entertainment über mehrere Stunden – etwa von der Blue Man Group und Mitch Keller.
Zander Jr.: «Bin kein Politiker, der irgendwas verspricht»
Zander Junior sagt, er sei traurig darüber, dass sein Vater nicht dabei sein könne. «Aber er ist sehr stolz auf uns, dass wir das weitermachen. Und nächstes Mal ist er auch wieder dabei, wenn es ihm besser geht.» Ob dieses Fest auch auf Dauer irgendwann ohne Frank Zander funktionieren könnte? «Ich bin kein Politiker, der irgendwas verspricht. Schauen wir mal. Es fühlt sich aber gerade echt gut an, und ich glaube, es ist richtig.» Er wolle alles dafür tun, dass diese Tradition auch in Zukunft weitergeführt werde.
Das Thema Obdachlosigkeit ist ernst, darüber kann auch die bunte Veranstaltung nicht hinwegtäuschen. Die 18-jährige Marie lebt schon seit anderthalb Jahren auf der Straße. Als Frau macht sie wohl auch andere Erfahrungen als Männer. «Ganz viele Männer wollen, dass man sich prostituiert», sagte sie, während sie in der Schlange zum kostenlosen Haarschnitt steht. Die aufwendig kostümierte Dresdnerin Viola Vogler (65) amüsiert sich zwar bei der kurzzeitigen Flucht aus dem Alltag, gleichzeitig denkt sie auch an die Wohnung, die sie bald verlieren könnte, wie sie der Deutschen Presse-Agentur erzählte. Sie ist sich sicher: «Es ist für jeden Menschen auf der Welt ein Platz. Und es gibt immer eine gute Zukunft für das Leben.»
140 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer
In roten T-Shirts liefen etwa 140 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer umher. So auch die Kolleginnen Daniela Degen und Antje Spuderca, die früh morgens aus der Uckermark und dem sachsen-anhaltischen Dessau angereist sind, trotz Sturm «Zoltan». Spuderca ist zum ersten Mal da, mit der Motivation, Bedürftigen etwas Gutes zu tun «und ein Lächeln auf das Gesicht zu zaubern».
Der Regierende Bürgermeister war – unter anderem neben Linke-Politiker Gregor Gysi, der Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) und Kultursenator Joe Chialo (CDU) – nicht nur als Kellner unterwegs. Das Thema Obdachlosigkeit berühre Wegner. «Ich glaube, wir müssen schauen, dass wir mehr Unterkünfte bekommen, dass wir die Menschen von der Straße bekommen, dass wir auch mehr Sozialarbeit anbieten», so der CDU-Politiker. Obdachlose Menschen benötigten nicht nur eine Wohnung – es gehe auch um Betreuung und die Rückkehr in ein normales Leben, «weil man sich sehr abgekoppelt hat vom normalen Leben, weil man abgetaucht ist, weil man auch selbst Ängste hat, Sorgen hat, nicht gesehen werden will».