Schauspieler Kevin Spacey ist in allen Anklagepunkten freigesprochen worden. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Yui Mok/PA Wire/dpa)

Im ersten Moment sitzt Kevin Spacey nur da. Nimmt dann ein Taschentuch, legt sich eine Hand auf die Wange. Für den Schauspieler dürften es lange Minuten gewesen sein, als am Mittwochnachmittag das Urteil verkündet wird. Vier Männer warfen ihm in einem Prozess vor einem Londoner Gericht sexuelle Übergriffe vor. Die Geschworenen sprechen ihn an diesem Nachmittag frei. Die Jury verkündet zu allen Punkten «not guilty» («nicht schuldig»).

Spacey verfolgt die Urteilsverkündung stehend im Southwark Crown Court, einem pragmatischen Gebäude nicht weit entfernt von der Tower Bridge. Sein Gesicht ist etwas aufgequollen, er sieht erschöpft aus. Seit Prozessbeginn Ende Juni saß er immer wieder in dem mit Glas abgetrennten Kasten. Was mag in seinem Kopf vorgegangen sein? Und was im Kopf der Männer, die gegen ihn aussagten?

Freispruch am 64. Geburtstag

In der Anklageschrift wurde ihm vorgeworfen, bei vier Männern sexuell übergriffig geworden zu sein. Demnach soll Spacey sie etwa ohne Erlaubnis im Schritt angefasst haben. Ein Mann warf ihm vor, gegen seinen Willen Oralsex an ihm ausgeübt zu haben, als er schlief. Spacey hatte die Anschuldigungen zurückgewiesen oder angegeben, es habe sich um einvernehmlichen Sex gehandelt.

Nun der Freispruch. Spacey tritt anschließend vor die wartenden Reporterinnen und Reporter. Er müsse die Geschehnisse nun erst einmal verarbeiten, sagt Spacey, der an diesem Tag 64 Jahre alt geworden ist. Er sei der Jury aber enorm dankbar, dass sie sich die Zeit genommen habe, alle Beweise genau zu prüfen. «Und ich bin demütig über den Ausgang heute.»

Spacey – in den USA geboren – arbeitete viele Jahre in London. Er war künstlerischer Direktor am Theater Old Vic und lebte zeitweise in der britischen Hauptstadt. Seine Karriere gehörte lange zu den großen in Hollywood. Für «American Beauty» und «Die üblichen Verdächtigen» gewann der Schauspieler jeweils einen Oscar. Und mit seiner Rolle in «House of Cards» wurde er zum Gesicht des frühen Serienhypes.

Jäher Karriereknick

Als Vorwürfe gegen ihn publik wurden, änderte sich das: Netflix beendete die Zusammenarbeit zu «House of Cards» und verklagte Spacey auf Schadenersatz, nachdem Beschwerden von Mitarbeitern am Set über ihn aufgekommen waren. Das Old Vic distanzierte sich ebenfalls. Szenen mit Spacey in dem Thriller «All The Money in the World» (Alles Geld der Welt) wurden nachträglich entfernt.

Die Vorwürfe gegen Spacey wurden öffentlich, als die #MeToo-Bewegung aufkam: Der Schauspieler Anthony Rapp warf ihm vor, 1986 bei einer Party sexuell übergriffig geworden zu sein und ihn verletzt zu haben. Er forderte Schadenersatz. Doch Spacey gewann den Prozess. Zwei weitere Zivilklagen in den USA wurden zurückgezogen.

Vorwürfe auf wackeligen Beinen

Im Londoner Strafprozess kritisierten Spaceys Verteidiger, über Spacey sei in sozialen Netzwerken gerichtet und er sei in der Folge «gecancelled» worden. Vor Gericht hätten sich die Vorwürfe gegen ihn aber stets als auf wackeligen Beinen dargestellt. Auch in einem Interview mit dem «Zeit»-Magazin hatte sich Spacey zuversichtlich gezeigt, dass die Vorwürfe in sich zusammenfallen würden.

In Großbritannien musste nun eine Jury entscheiden, zwölf Menschen also, die rund zwölf Stunden lang zusammensaßen. Sie mussten sich nicht nur fragen, ob Spacey die Männer berührt hat – das räumte er teils ein. Sondern auch, ob er es gegen deren Willen tat, und das auch wusste.

Im Prozess wurde er zu seinem Sexleben befragt. Auf die Frage, ob er sich einsam gefühlt und dann sexuelle Kontakte gesucht habe, sagte Spacey: «Willkommen im Leben. Ja. Ja, habe ich.» Er sei «sehr offen» gewesen, wenn es um zeitweise zwanglose sexuelle Begegnungen gegangen sei. «Das macht mich nicht zu einem schlechten Menschen.»

Seine Homosexualität hatte Spacey lange verschwiegen. «Ich habe Dinge ausprobiert, aber ich wollte mir nicht eingestehen, wer ich war. Ich hatte panische Angst, es herauszufinden», sagte er dem «Zeit»-Magazin im Gespräch mit der Journalistin Khuê Phạm. Zu seiner Karriere sagte er damals, es gebe keine Schule, an der man lernen könne, wie man mit Ruhm umgehe. «Ich habe wirklich versucht, kein Arschloch zu sein. Aber ich glaube, in gewissem Maße war ich ein Arschloch.»

Auf die Vorwürfe ging er damals nicht ein. Er äußerte die Sorge, nie wieder arbeiten zu können, und formulierte gleichzeitig eine Hoffnung: Dass in zehn Jahren «all das hier» nichts mehr bedeuten werde. Man werde sich an seine Arbeit erinnern, an nichts Anderes. Sobald er in London freigesprochen werde, würden ihm bestimmte Leute wieder Rollen anbieten. «Noch in derselben Minute!»

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