Die deutsche Regisseurin Helena Wittmann beim 75. Internationalen Filmfestival Locarno. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Urs Flueeler/KEYSTONE/dpa)

Bei einer Gala unterm Sternenzelt werden zum Finale des 75. Internationalen Filmfestivals Locarno am Samstagabend der Goldene Leopard, der Hauptpreis, und andere Auszeichnungen vergeben. Die Chancen für das deutsche Kino stehen gut. «Human Flowers of Flesh» von Regisseurin Helena Wittmann und «Piaffe» von Regisseurin Ann Oren bekamen beim Festival in der Schweiz viel Beifall.

Doch die deutschen Arbeiten haben starke Konkurrenz. Insgesamt liefen 17 Filme aus aller Welt im internationalen Wettbewerb. Von diesen werden ebenso die Sozialstudie «Die Deklaration» des indischen Regisseurs Mahesh Narayanan, das Weltuntergangspoem «Predigt an die Fische» von Regisseur Hilal Baydarov aus Aserbaidschan und das Jugenddrama «Ich habe elektrische Träume» von der Regisseurin Valentina Maurel aus Costa Rica Hoch gehandelt.

Trotzdem sind auch Überraschungen möglich – Festival-Jurys entscheiden gern entgegen aller Erwartungen. Das gilt in Locarno auch für den durch Abstimmung der Zuschauer ermittelten Publikumspreis. Die begehrte Auszeichnung geht an einen der außerhalb des internationalen Wettbewerbs in den beliebten Freiluftaufführungen unterm Sternenzelt für etwa 8000 Zuschauer gezeigten Filme. Auch hier kann das deutsche Kino hoffen: Das Anti-Terrorismus-Drama «Meinen Hass bekommt ihr nicht» von Regisseur Kilian Riedhof («Sein letztes Rennen») könnte gewinnen.

Erinnerungen an den Terroranschlag im Bataclan

Riedhofs bewegender Spielfilm wurde vom gleichnamigen Buch des Franzosen Antoine Leiris angeregt. Der Journalist erinnert sich darin an das Leben mit seinem 17 Monate alten Sohn Melvil, nachdem seine Frau im November 2015 im Konzertsaal Bataclan Opfer der islamistischen Terroranschläge in Paris wurde. Riedhof sagte der dpa am Rande des Filmfestivals Locarno zu seinem Motiv, diesen Film zu drehen: «Ich hab den Roman gelesen und das war wie ein Stromstoß für mich. Ich musste diesen Film drehen.»

Traditionsgemäß standen in Locarno auch in diesem Jahr insbesondere Arbeiten noch junger Filmemacherinnen und Filmemacher im Fokus. Das Festival hat seinen Status als international wichtigste Tribüne des Kinonachwuchses eindrucksvoll bekräftigt. Für Glamour sorgten Stippvisiten von Schauspiel-Stars wie Sophie Marceau und Matt Dillon. Auch Juliette Binoche kam mit ihrem neuen Film («Paradise Highway») und schwärmte: «Es ist ein starkes Festival mit viel Herz. Hier kommen immer wieder Diamanten auf die Leinwand.»

226 Kurz-, Dokumentar-, Spiel- und Experimentalfilme wurden auf dem Festival in verschiedenen Sektionen gezeigt. Das zehntägige Kino-Fest in Locarno gilt neben Berlin, Cannes und Venedig als bedeutendstes europäisches Filmfestival. Der Zuspruch der Zuschauer hat den guten Ruf zur Jubiläumsausgabe bestätigt: Tausende Filmfans aus aller Welt haben hier seit dem 3. August am Schweizer Ufer des Lago Maggiore mit einem regelrechten Sturm auf die Filmvorführungen das Kino als einzigartige Möglichkeit eines gemeinsamen Kunstgenusses gefeiert.

Copyright 2022, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten, Von Peter Claus, dpa

Von