Abba Tijani, Generaldirektor der Nationalen Museums- und Denkmalbehörde Nigerias, in Stuttgarts Linden-Museum. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Bernd Weißbrod/dpa)

Nach der Einigung zwischen Deutschland und Nigeria über den Umgang mit den als koloniales Raubgut geltenden Benin-Bronzen rechnet das afrikanische Land mit weiteren Rückgaben aus den Beständen ausländischer Museen und Universitäten.

«Die deutsche Entscheidung hat die Position anderer Museen, Universitäten und Gesellschaften stark beeinflusst», sagte der Generaldirektor der Nationalen Museums- und Denkmalbehörde Nigerias, Abba Tijani, in Stuttgart. Es gebe teils weit vorangeschrittene Gespräche in Großbritannien sowie in den USA über die dort geführten, als koloniales Raubgut geltenden Kunstobjekte. Er gehe fest von weiteren Rückgaben aus und nannte unter anderem das British Museum in London und das Metropolitan Museum of Art in New York.

Der aus Deutschland stammende Direktor des Britischen Museums, Hartwig Fischer, blockte Fragen der Deutschen Presse-Agentur zum Stand der Gespräche über die Benin-Bronzen jedoch ab. Ob sich das Haus mit dem wohl größten Bestand an Benin-Bronzen dem Vorbild deutscher Museen anschließen wird, bleibt damit vorerst ungewiss.

Zahlreiche Bronzen in deutschen Museen

Etwa 1100 der kunstvollen Objekte und Bronzen aus dem Palast des damaligen Königreichs Benin, das heute zu Nigeria gehört, sind in rund 20 deutschen Museen zu finden, darunter 78 allein im Stuttgarter Linden-Museum. Über die umfangreichsten Sammlungen verfügen daneben das Museum am Rothenbaum (Hamburg), das Rautenstrauch-Joest-Museum (Köln), das Völkerkundemuseum Dresden/Leipzig sowie das Ethnologische Museum Berlin. Diese fünf Häuser sind bisher an der geplanten Eigentumsübertragung beteiligt.

Die Objekte stammen größtenteils aus den britischen Plünderungen des Jahres 1897. Eine gemeinsame Absichtserklärung zwischen beiden Ländern soll am Freitag unterzeichnet werden und den Weg für die Eigentumsübertragungen der wertvollen Kunstobjekte freimachen. Zwei Bronzen sollen direkt im Anschluss übergeben werden. Die Stücke stammen nach dpa-Informationen aus Berliner Beständen.

Die weiteren beteiligten Häuser haben bereits Schritte für eine Rückgabe der Kunstobjekte eingeleitet, wie Sprecher in Dresden, Hamburg und Köln am Mittwoch sagten. Das Stuttgarter Linden-Museum werde konkrete Objekte für eine Rückgabe identifizieren und in Gespräche mit der nigerianischen Seite eintreten, kündigte die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) an und fügte hinzu: «Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir nun rasch zu umfassenden Rückgaben kommen, insbesondere aus dem Linden-Museum.»

Einige Kunstschätze sollen in Deutschland bleiben

Erst später soll entschieden werden, welche der Kunstschätze als Dauerleihgaben in deutschen Museen ausgestellt werden sollen. Bei den Ausleihen gehe es um einen noch zu bestimmenden Prozentsatz, der auf mehrere Museen verteilt werden könne, sagte Tijani. «Wir wollen hier kein Vakuum erzeugen. Deshalb werden wir einige Objekte auch zurücklassen, damit sie ausgestellt und an ihnen geforscht werden kann.» Wichtig sei es außerdem, über die Rückgaben hinaus zusammenzuarbeiten, um die Forschung voranzubringen und Ausstellungen zu gestalten.

Auch die baden-württembergische Wissenschaftsstaatssekretärin Petra Olschowski (Grüne) betonte, Nigeria lege alleine fest, wie viele und welche Objekte zurückblieben.

Tijani lobte den deutschen Umgang mit dem Thema. «Nigeria ist durch Deutschland nicht kolonialisiert worden. Und dennoch ist Deutschland das erste Land, das sich für diese Restitution entschieden hat», sagte er. Er sicherte zu, dass sein Land auf die Rückgabe «gut vorbereitet» sei.

Olschowski: «Teil eines Prozesses, der erst am Anfang steht»

Staatssekretärin Olschowski sieht die deutschen Rückgaben nur als erste Schritte in einem langen Prozess. «Mit der Einigung hört es nicht auf», sagte sie. Auch die Bestände der landeseigenen baden-württembergischen Museen, Universitäten und Uni-Kliniken würden aufgearbeitet. Dort lagern noch Tausende menschliche Überreste wie Haare, Knochen, Schädel oder Skelette aus Kolonialzeiten. Ziel des Landes sei es, die Überreste, die in kolonialem Zusammenhang erworben oder erbeutet worden sind, an die Herkunftsstaaten oder Gruppen zurückzugeben. «All diese Aktivitäten sind Teil eines großen Prozesses, der erst am Anfang steht», sagte die Grünen-Politikerin weiter. «Und das ist noch ein weiter Weg, den wir da zurücklegen müssen.»

Auch die Direktorin des Kölner Rautenstrauch-Joest-Museums, Nanette Snoep, hofft, dass die Einigung nur ein Anschub gewesen ist. «Ich hoffe sehr, dass auf diesen ersten Schritt tiefgreifende Veränderungen in den Museen erfolgen werden, die von der Politik begleitet und unterstützt werden», sagte sie und mahnte: «Wir sollten nie vergessen, wie tief solche Museen mit der Kolonialgeschichte verwoben sind und dass die dabei verursachten kolonialen Traumata immer noch in den nachfolgenden Generationen fortwirken», sagte Snoep.

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