Die Schauspielerin Angelica Domröse hat einen der wichtigsten Filme der deutschen Geschichte gedreht. «Die Legende von Paul und Paula» erzählte in den 1970ern nicht nur vom Alltag in der DDR, sondern von einer Grundfrage: Hat der Mensch einen Anspruch auf Glück?
Domröse übernahm damals neben Winfried Glatzeder die Hauptrolle, am Sonntag (4. April) wird sie 80 Jahre alt.
Öffentliche Auftritte sind selten geworden. Auf eine Interviewanfrage meldet sie sich. Nun sitzt sie in ihrem Wohnzimmer, draußen kreischt eine Krähe. Domröse beobachtet die Vögel.
«Ein paar Dinge lassen sich einfach gelassener sagen und empfinden im Alter», sagt Domröse. In der Jugend strample man noch herum, ringe um Anerkennung und sei zu ehrgeizig. «Ehrgeiz muss sein», sagt Domröse, aber zu viel dürfe es nicht sein. «Meinen Sie nicht?»
Die Berlinerin gehört noch zu den Schauspielerinnen, die mit einem «die» geadelt werden. Dann ist sie einfach nur «die Domröse». Wenn man ihr gegenübersitzt, trifft man eine zierliche Person, die auch mal schweigen kann und nach vielen Theaterjahren noch immer aus dem Stegreif Bertolt Brecht zitiert.
«Manches ist jetzt schöner, gelassener», sagt Domröse. Wenn man jung sei und im Zenit stehe, habe man auch einen gewissen Trott. «Text lernen, Rolle proben, Freundschaften schließen, Freundschaften brechen, lieben, unglücklich sein.»
Bis heute gilt «Die Legende von Paul und Paula» ein bisschen als Sensation. Als Kanzlerin Angela Merkel vor einigen Jahren ihren Lieblingsfilm vorstellen sollte, entschied sie sich für das Drama. Domröse spielt eine alleinerziehende Mutter, die sich in den verheirateten Paul verliebt. Birnenschnaps kommt vor – und ein Bett, das über Berliner Gewässer segelt. Alles ziemlich irre.
Regisseur Heiner Carow und Drehbuchautor Ulrich Plenzdorf zeigten auch das Schlangestehen beim Einkaufen und das Kohleschleppen. «Das war damals sensationell, dass die Realität so im Kino erschien», sagte Merkel bei der Filmvorstellung. Da sei nichts depressiv, sondern zeige Lebenskraft und habe trotzdem ein Stück Ironie. Das Filmteam befürchtete lange ein Verbot des Films in der DDR.
Die «Paula» ist vielen im Gedächtnis geblieben – als Frau, die mit großer Selbstverständlichkeit mehr will vom Leben. «Es muss doch noch was anderes geben als schlafen, arbeiten. Und wieder schlafen und arbeiten», sagt sie in einer Szene. Domröse lobt noch heute das Drehbuch und die Erzählweise. «Und die Rolle war eine Wucht, da war etwas zu spielen.» Oft werde ja einfach nur viel gequatscht.
«Ich habe mich einen Dreck darum gekümmert, dass die eigentlich 22 sein sollte, die Paula», sagt Domröse. Sie selbst sei damals ja schon einige Jahre älter gewesen. Anfangs führte das sogar zu Diskussionen. Aber Domröse wollte die Rolle und bekam sie.
In Zeitungen von früher wird sie als exzellent gelobt, als diszipliniert und fleißig. Das Wort «Publikumsliebling» fällt oft. Sie und ihr Mann Hilmar Thate galten als «Traumpaar». Im Westen hätten sie manche Journalisten aber auch «Dornrose» getauft, heißt es in ihrer Biografie «Ich fang mich selbst ein». Weil sie so spröde gewesen sei und Reportern auch mal gesagt habe, wenn sie eine «besonders dämliche Frage» stellten.
Geschildert wird im Buch eine schwierige Kindheit in einer kaputten Stadt, Domröses Abneigung gegen den Geruch von U-Bahnhöfen und ihre Vorliebe für harte Bälle beim Völkerball. Ihre erste Filmrolle hatte sie in Slatan Dudows «Verwirrung der Liebe». Sie fing noch unter Helene Weigel am Berliner Ensemble an. Später wechselte sie an die Volksbühne.
Das Buch erzählt aus Domröses Perspektive vom Mauerbau («Jetzt müssen wir wieder die dicken Strümpfe tragen!»), von ihrer ersten Ehe und ihrer Vorliebe für PS-starke Autos. Zu Beginn ihrer Karriere änderte sie übrigens ihren Namen: «Angelika mit k sah einfach zu eckig aus». Sie spart auch die dunklen Kapitel nicht aus – das Alkoholproblem zum Beispiel, mit dem sie früher kämpfte.
In der DDR sei sie mit Brigitte Bardot verglichen worden und im Westen mit Uschi Glas, heißt es in der Biografie. Als Domröse mit ihrem Mann schließlich in den Westen geht, wird sie immer wieder von Reportern aufgefordert, sich zur DDR zu positionieren. Domröse ist dabei vieles zu schwarz-weiß. «Darf, wer unter der DDR gelitten hat, nicht um sie trauern? Um den Funken Utopie, den sie in sich trug?»
Domröses Leben taugt schon selbst zum guten Filmstoff. Sie denke heute nicht mehr so oft zurück, sagt die Schauspielerin. Sie lese jetzt viel – über die Antike zum Beispiel. In jungen Jahren neige man ja dazu, die eigene Zeit immer für die interessanteste zu halten. Dabei habe es doch vieles schon früher gegeben.
Was so ein Menschenwesen alles durchmachen müsse, sagt Domröse an einer Stelle des Gesprächs. «Das ist doch grauenvoll.» «Grau-en-voll», so betont sie das und klingt amüsiert. Da könne man doch froh sein, wenn man wie beim Schlittschuhlauf – «pfffffff», sie macht einen Pfeifton – durchgekommen sei durchs Leben.
Einen solchen Erfolg wie mit der «Paula» habe sie nie wieder gehabt, sagt Domröse. «Und ich hatte doch eine ganze Menge, ich kann mich nicht beschweren.» Wenn andere Generationen heute noch sagten, sie verstünden den Film und fänden ihn interessant, sei das eine Erfüllung. «Das kann man nicht von vielen Arbeiten sagen im Leben.»