Seine rauchige und sanfte Stimme erkennt man sofort. Dank Ohrwürmern wie «Josephine» oder «I Can Hear Your Heartbeat» zählte Chris Rea in den 80er und 90er Jahren zu den meistgespielten Künstlern im Radio.
Der unvergängliche Weihnachtsklassiker «Driving Home For Christmas» ist einer seiner populärsten Hits. Doch Reas musikalische Leidenschaft liegt woanders. Seit rund 20 Jahren widmet sich der britische Sänger und Gitarrist, der am 4. März 70 Jahre alt wird, seinem geliebten Blues. Schwere gesundheitliche Probleme, die ihn fast das Leben gekostet hätten, bewegten ihn zum Stilwechsel.
Reas Karriere ist von einem Paradox geprägt: Zu seinen kommerziell erfolgreichsten Zeiten war er am wenigsten zufrieden. Schon sein erster Hit gefiel ihm überhaupt nicht. Das seichte «Fool (If You Think It’s Over)» von 1978 war dennoch richtungsweisend für seinen musikalischen Weg. Sein Bluesrock war nämlich nicht erwünscht. «Für das, was ich machen wollte, hatte ich bei der falschen Plattenfirma unterschrieben», erzählte er dem britischen Magazin «Classic Rock».
Umso bemerkenswerter, dass Rea sich damit arrangierte und ab den 80er Jahren große Erfolge feierte. Die Alben «On The Beach» und «The Road To Hell» mit geschmeidigem, lässig-entspanntem Poprock sind heute Klassiker. «Ich könnte ein Triple-Album mit der besten Musik der Welt machen, besser als Beethoven, die Leute würden trotzdem ‚On The Beach‘ hören wollen», sagte Rea. Er nahm es pragmatisch. «Man wägt ständig ab, was man machen will und was man machen muss.»
Relativ spät hatte sich der Sohn eines Italieners und einer Irin, der als Christopher Anton Rea im englischen Middlesbrough geboren wurde, mit 18 Jahren selbst das Gitarrespielen beigebracht. Schon damals spielte er am liebsten die Slide-Gitarre, für die er heute berühmt ist. Nachdem er in einigen Bands gespielt und gesungen hatte, gelang ihm Ende der 70er als Solokünstler der Durchbruch.
Dem Ruhm, den seine musikalischen Erfolge mit sich brachten, konnte der zurückhaltende Brite nicht viel abgewinnen. In Interviews betont er bis heute, er sei weder Popstar noch Rockstar. «Die (Rockstars) sorgen sich um ihre Frisur. Die lassen ständig etwas mit ihrem Gesicht machen», so Rea. «Wie du aussiehst und wie du klingst, ist alles. Es ist narzisstisch. Das bin ich nicht.»
Nur manchmal habe er sich gewünscht, anders zu sein. «Wenn ich sehe, dass ein Ferrari 250 GTO für 25 Millionen verkauft wird, dann wünsche ich mir für zehn Sekunden, ein Rockstar zu sein», scherzte er. Der begeisterte Auto- und Rennsportfan, der immer noch in Middlesbrough lebt, soll einen beachtlichen Fuhrpark besitzen.
Die Wende in seiner Karriere brachte eine schwere Erkrankung. In den 90ern hatte er schon eine lebensbedrohliche Bauchfellentzündung überstanden. 2001 stellten die Ärzte Bauchspeicheldrüsenkrebs bei ihm fest und machten Rea keine großen Hoffnungen. Im Krankenhaus entschied er, endlich der Liebe zum Blues zu folgen, sollte er den Krebs überleben. «Wenn du kurz davor bist zu sterben, denn bewertest du neu, was dir wirklich wichtig ist», erklärte der Musiker im «Mirror»-Interview. «Und das hat nichts mit Ruhm und Geld zu tun.»
In mehreren Operationen wurden Teile seiner Bauchspeicheldrüse, des Dünndarms, der Gallenblase und der Leber entfernt. Das hat deutliche Spuren hinterlassen. «Ich hab mich da nie komplett von erholt», erzählte Rea kürzlich in der BBC-Sendung «Mortimer & Whitehouse: Gone Fishing». «Ich hab jetzt Diabetes Typ 1 und muss jeden Tag 34 Pillen schlucken.» Später wurde ihm noch eine Niere entnommen.
Einen weiteren gesundheitlichen Rückschlag überstand er 2016. Nach einem Schlaganfall konnte er vorübergehend weder richtig sprechen noch Gitarre spielen. Nur ein Jahr später stand er schon wieder auf der Bühne, als wäre nichts gewesen. Erst am Ende der Tournee brach er während eines Auftritt in Oxford zusammen. Die zwei verbleibenden Konzerte mussten daraufhin abgesagt werden.
Halt gibt ihm die Familie. Mit seiner Ehefrau Joan ist er zusammen, seit die beiden Teenager waren. Das Paar hat zwei Töchter, Josephine und Julia, über die Rea seine gleichnamigen Hits geschrieben hat. Der Familie wegen verzichtete er auch auf eine größere Karriere in den USA. Zwar war seine Musik dort erfolgreich, Rea weigerte sich aber in Amerika auf Tournee zu gehen, weil er nicht so lange von Frau und Kindern getrennt sein wollte.
Nach der schweren Krebserkrankung gründete er ein eigenes Label, auf dem er seit 2002 mehrere Blues-Alben veröffentlicht. Sein bisher ambitioniertestes Projekt war «Blue Guitars», eine Box mit elf CDs und 137 Songs. Für jede CD malte Rea das Albumcover selbst. Einige Kritiker lobten «Blue Guitars» als den Höhepunkt seines Schaffens.
Ein breites Publikum bevorzugt laut Rea dennoch seine alten Hits, auch hierzulande. «In Deutschland hängt die Größe der Halle und das Geld, was dir angeboten wird, davon ab, welche Lieder du laut Vertrag spielen wirst», erklärte er. «Wenn du alle Hits spielst, lassen sie dich in der großen Halle in Dortmund auftreten. Wenn nicht, dann trittst du irgendwo in einem Club in Köln auf.»
Nach den vielen gesundheitlichen Rückschlägen wäre es ein kleines Wunder, wenn Chris Rea überhaupt wieder irgendwann in Deutschland auf der Bühne steht. Allerdings hat der Überlebenskünstler ja schon mehrfach gezeigt, dass man ihn nicht abschreiben sollte.