Es gibt nur wenige Stars mit einem Spitznamen, der ein Herrscher- oder Herrscherinnentitel ist. In Deutschland kann sich Ex-Fußball-Star Franz Beckenbauer des Beinamens «Der Kaiser» rühmen. In Frankreich wird die Filmdiva Catherine Deneuve seit dem Erscheinen eines Dokumentarfilms nun auch «La reine Catherine» genannt: Königin Katherina – nach dem Titel eines Filmporträts über sie.
Seit Ende der 50er Jahre läuft die Karriere von Deneuve, die am 22. Oktober 80 Jahre alt wird, auf Hochtouren: mehr als 130 Kinofilme in einer rund 60-jährigen Karriere.
Ihr jüngster Film «Bernadette» kam in Frankreich Anfang Oktober ins Kino. Darin spielt sie die frühere First Lady Frankreichs, die Frau von Präsident Jacques Chirac. «Meisterhaft», «kaiserlich», «erstklassig» nannten Kritiker ihre schauspielerische Leistung.
Die Frau hinter der Ikone
Die Dokumentarfilmerin Virginie Linhart hat der Deneuve 2021 das Porträt «Deneuve, la reine Catherine» gewidmet. Ein Film, der aus Archivbildern und Interviews besteht. Er zeichnet ihren einzigartigen Werdegang nach und versucht, hinter der Ikone die Frau zu entdecken.
Mal kalt, distanziert, gleichgültig, anti-erotisch, dann wieder lasziv, sinnlich, pervers: Deneuve ist zweifellos die rätselhafteste Schauspielerin des französischen Kinos.
Eine Schauspielerin mit tausend Facetten, die mit der gleichen Natürlichkeit eine dem Wahnsinn verfallene Männermörderin in «Ekel» von Roman Polanski spielt, eine Hobbyprostituierte in «Belle de Jour – Schöne des Tages» von Luis Buñuel oder eine lesbische Vampirin in «Begierde» von Tony Scott an der Seite von David Bowie. Sexuell mehrdeutige Rollen verkörperte sie öfter. In «Diebe der Nacht» spielte sie eine Professorin, die eine Affäre mit einer Studentin hat.
Viele ihrer Filme sind legendär, gedreht von den größten Regisseuren, darunter François Truffaut, Roman Polanski, Lars von Trier und François Ozon. Die gebürtige Pariserin genießt international Anerkennung und eine Popularität, die nie nachgelassen hat.
Für ihr Lebenswerk wurde sie mehrfach ausgezeichnet, zuletzt 2022 mit dem Goldenen Löwen in Venedig. Im Jahr 2018 erhielt sie für ihre herausragende Leistung den japanischen Praemium Imperiale, der als Nobelpreis der Künste gilt.
Ihren Durchbruch schaffte sie 1964 mit Anfang zwanzig in «Die Regenschirme von Cherbourg» (1964), einem Film, in dem alle Dialoge gesungen werden. Die Liebesgeschichte zwischen der 17-jährigen Tochter einer Ladeninhaberin und einem jungen Autoschlosser erhielt gleich mehrere Oscar-Nominierungen.
Eine Aura des Mysteriösen
Für «Die letzte Metro» (1980) von François Truffaut an der Seite von Gérard Depardieu wurde sie mit dem César als beste Schauspielerin ausgezeichnet, ihren zweiten César erhielt sie für Indochine (1992).
Deneuve fasziniert. Sie vereint Talent, Schönheit, Intelligenz und eine Aura des Mysteriösen. Truffaut sagte über sie: «Bei jeder Rolle hat man das Gefühl, es gebe die Figur auf der Leinwand und dazu aber andere Gedanken, die nicht ausgedrückt werden.»
In ihrer langen Karriere ist es ihr gelungen, ihr Privatleben vor der Neugier der Medien und des Publikums gut zu schützen. Wie sie jüngst in einem Interview der Zeitschrift «Paris Match» sagte, habe sie eine schlechte Meinung von Journalisten: Sie sei schon in jungen Jahren dem medialen Druck ausgesetzt gewesen und versuche, sich gegen Ungerechtigkeit, Übertreibungen und Lügen von Medien zu wehren.
Deneuve ist früh ihren eigenen Weg gegangen. Bereits mit 20 Jahren wurde sie alleinerziehende Mutter. Der Vater ihres Sohnes Christian war der Frauenheld Roger Vadim, Ex-Ehemann von Brigitte Bardot. Er war es auch, der sie 1960 entdeckte. Als die 17-jährige Deneuve den 15 Jahre älteren Regisseur kennenlernte, kam es zum Bruch mit ihren Eltern. Für ihn ließ sie sich ihr brünettes Haar blond färben – so wie die Bardot.
Nacktaufnahmen für den «Playboy»
Mit ihrer Weigerung, sich Regeln und Erwartungen zu beugen, sorgte sie oft für Aufsehen. Sie posierte 1965 nackt für den «Playboy», schockierte, als sie von dem verheirateten italienischen Filmstar Marcello Mastroianni schwanger wurde und 1972 ihre Tochter Chiara bekam. Ein Jahr zuvor setzte sie sich für die Legalisierung von Abtreibungen in Frankreich ein, unterschrieb das «Manifest der 343».
Sie ist immer da, wo man sie nicht erwartet oder erwarten würde. So hat sie in der Metoo-Bewegung vor dem Klima einer totalitären Gesellschaft gewarnt und verteidigt Regisseure wie Roman Polanski und Woody Allen, die des sexuellen Missbrauchs beschuldigt werden.
Sie würde gerne mit Woody Allen zusammenarbeiten, sagte sie der Zeitschrift «Paris Match». Er sei ein Mann von immensem Talent, erklärte sie. Sie verstehe nicht, warum sie ein Angebot von ihm nicht annehmen sollte. Und fragte, wer sie daran hindern sollte.