Niemand steht so für die deutsche Romantik wie Caspar David Friedrich (1774-1840). Dass der berühmte Künstler auch ein Wegbereiter der Moderne war, zeigt eine große Ausstellung zum 250. Geburtstag in der Hamburger Kunsthalle. «Zentrales Thema ist das neuartige Verhältnis von Mensch und Natur in Friedrichs Landschaftsdarstellungen.
Im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts setzte er damit wesentliche Impulse, um die Gattung der Landschaft zur „Kunst für eine neue Zeit“ zu machen», sagte Direktor Alexander Klar in Hamburg. Im kommenden Jahr widmen auch Berlin und Dresden dem romantischen Künstler thematisch eigenständige Schauen.
Äußerst seltene Friedrich-Leihgaben wie die Gemälde «Kreidefelsen auf Rügen» (um 1818–1822), «Mönch am Meer» (1808–1810) und «Zwei Männer in Betrachtung des Mondes» (1819/20) sind vom 15. Dezember bis zum 1. April unter anderem neben den Bildern «Wanderer über dem Nebelmeer» (um 1817) und «Das Eismeer» (1823/24) aus dem Bestand der Hamburger Kunsthalle zu erleben. Insgesamt mehr als 60 Gemälde und rund 100 Zeichnungen sowie Werke von Künstlerfreunden sind zu sehen. Die anhaltend hohe Faszination, die Friedrichs Werke auslösen, zeigt ein zweiter eigenständiger Teil der Ausstellung, der Friedrichs Rezeption in der zeitgenössischen Kunst gewidmet ist.
Das Klischee vom düsteren Grübler
Die Ausstellung beginnt mit unterschiedlichen (Selbst-)Bildnissen des 1774 in Greifswald geborenen Künstlers. «Friedrich war nicht nur der düstere Grübler. Diese Klischees sind problematisch», sagte Kurator Markus Bertsch. In Dresden, wo er sich 1798 niederließ, habe sich der Künstler systematisch das Rüstzeug antrainiert, das er für seine späteren Werke brauchte. «Schon in seinen Zeichnungen geht es stark um menschliche Gefühle wie Melancholie, Einsamkeit und Sehnsucht», sagte Bertsch. Später habe er die Landschaftsmalerei neu gedacht, indem er eine Form der Malerei entwickelte, die in den Details höchst präzise ist, aber durch ihre Komposition und wenige sinntragende Bildgegenstände zum Denken einlädt.
Im Gemälde «Ruine Oybin» (1812) ist die Architektur um ein Kreuz, einen Altar und eine Madonnenskulptur ergänzt. Das Bild lädt zum Nachdenken über Glaubensfragen ein. Beim späteren Gemälde «Huttens Grab» (1823/24) liegt hingegen eher ein Bezug zu politischen Diskussionen nahe. Die Ruine wird nun zum Ort des Gedenkens an den Humanisten Ulrich von Hutten (1488–1523) sowie an Protagonisten der Befreiungskriege, die zwar die napoleonische Fremdherrschaft überwunden, aber nicht zu der von vielen erhofften Demokratisierung geführt hatten. In seinem berühmtesten Werk «Wanderer über dem Nebelmeer» (1817) vereint Friedrich mehrere Aspekte, die typisch für die Kunst der Romantik sind: das Gipfelerlebnis, die Einsamkeit, das Verschmelzen mit der Natur und das Motiv des Sehens.
Friedrichs Einfluss auf die moderne Kunst
Das Gemälde «Mönch am Meer» (1808-1810) konfrontiert den Betrachter mit einer radikalen Leere, die bereits das zeitgenössische Publikum überrascht hat. In einer Äußerung zum Gemälde hat Friedrich eine kritische Haltung zur Figur am Strand erkennen lassen. Er charakterisiert sie als einen Menschen, der sich anmaßt, alles verstehen, enträtseln und beherrschen zu wollen. Auch mit seinem Hauptwerk «Das Eismeer» (1823/24) erteilte Friedrich dem menschlichen Entdeckerdrang wie auch jeglichem Überlegenheitsgefühl gegenüber einer vermeintlich beherrschbaren Natur eine deutliche Absage.
Wie seine Werke Künstlerinnen und Künstler der Gegenwart beeinflusst haben, zeigt der zweite Teil der Ausstellung. «Das Spannungsverhältnis zwischen Umweltzerstörung und der Sehnsucht nach „unberührter Natur“ bildet dabei eine Kontinuität von der Romantik bis heute», sagte Bertsch. So inszeniert sich die finnische Künstlerin Elina Brotherus selbst in einer Interpretation des «Wanderers». Auch der Fotograf Andreas Mühe reinszeniert Gemälde Friedrichs und setzt sich selbst als kleine, nackte Rückenfigur ins Bild, während der US-Künstler Kehinde Wiley kritisch den westlichen weiß geprägten Kunstkanon reflektiert. Ein Farbkreis des dänischen Künstlers Olafur Eliasson zeigt exakt die Pigmente des Gemäldes «Das Eismeer» – allerdings in einer stark abstrahierten Komposition.