Zahlreiche Gäste kamen zur feierlichen Eröffnung des Humboldt-Forums. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Jörg Carstensen/dpa)

Soviel Preußen war lange nicht im Herzen Berlins. Der zentrale Lustgarten auf der berühmten Museumsinsel ist nun wieder umgeben von den Mauern des historischen Systems: das Zeughaus, jetzt Hülle für das Deutsche Historische Museum, war einst Waffenarsenal des Militärs.

Das Alte Museum steht für die Künste, der Berliner Dom für die Einbindung von Kirche und Religion in absolute Herrschaft. Die Fassade des Stadtschlosses der Hohenzollern markierte den Machtanspruch weit jenseits demokratischer Strukturen. Das ist nun die umstrittene Außenfront des am Dienstag eröffneten Humboldt Forums.

Kaum weniger Kritik gibt es an den ebenso glatten wie einförmigen Betonflächen, mit denen der italienische Architekt Franco Stella die modernen Teile des 680 Millionen Euro teuren Zentrums für Kunst, Kultur und Wissenschaft gestaltet hat. Sollte es die Corona-Situation irgendwann mal zulassen, können täglich rund 10 000 Besucherinnen und Besucher statt aktuell etwa 2400 ins Humboldt Forum geschleust werden. Die dafür notwendige Infrastruktur mit großen Eingängen, weiten Räumen, breiten Gängen und, ja, Rolltreppen hat schon häufig die Assoziation einer Shopping-Mall hervorgerufen.

Zur Eröffnung sprach Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) von einer «Arena der demokratischen Streitkultur», in der «die Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte bald eine zentrale Rolle spielen» werde. Generalintendant Hartmut Dorgerloh will einen «Austragungsort gesellschaftlicher Debatten und Konflikte», an dem Menschen Dinge in Bewegung setzen und grundlegende Verständigungsprozesse anstoßen.

Die Kolonialismusdebatte wird durch die Rekonstruktion befördert. In der Zeit der Hohenzollern wurde das Deutsche Reich zur Kolonialmacht. Im heutigen Namibia wurden unter deutschem Befehl etwa 75 000 Herero und Nama getötet. Auf dem Dach des Forums findet sich wieder, was die Hohenzollern während der Revolution 1848 nachträglich auf den Schlossbau setzten, um die Monarchie gegen demokratische Bestrebungen zu verteidigen: Kreuz und Kuppel mit einem weithin sichtbaren Bibelspruch, der die Unterwerfung aller Menschen unter das Christentum fordert. Unter solchen Zeichen soll nun im Humboldt Forum mit Vertretern aus den betroffenen Herkunftsstaaten der Kolonialismus aufgearbeitet werden.

Um den Ort wird seit fast drei Jahrzehnten gestritten. Hier wuchs aus einer Sumpfwiese ein Stadtteil, Dominikaner errichteten ein Kloster, erst gab es ein Renaissance-, dann das Barockschloss. Die DDR-Oberen sprengten 1950 die Schlossruine, das wiedervereinigte Deutschland entsorgte den asbestverseuchten Palast der Republik.

Für die nun vollendete Bebauung sammelten Schlossfans rund 100 Millionen Euro. Stella baute damit barocke Fassaden an drei Außenseiten, im großen Schlüterhof sowie dem Portalteil des Foyers. Zwischen den Insignien preußischer Macht wie Kronen und Adler sind vereinzelt dunklere Stellen im Stein zu finden – die wenigen originalen Überreste des alten Schlossbaus.

Im 40 000 Quadratmeter umfassenden Gebäude birgt auch die Konstruktion des Humboldt Forums mit vier Institutionen weiter Zündstoff. Dorgerloh ist als Chef der Dachkonstruktion der Stiftung Humboldt Forum vor allem für Sonderausstellungen und Veranstaltungen zuständig. Daneben agieren weitgehend unabhängig zwei Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, das Land Berlin und die Humboldt-Universität. Gezeigt werden Exponate aus Asien, Afrika, Amerika, Ozeanien und Berlin.

Nach zunächst bau-, dann coronabedingt mehrfach verschobener Eröffnung und einem digitalen Vorspiel im Dezember werden die Türen in drei Etappen aufgesperrt. Zunächst warten im historischen Keller, im Erdgeschoss und in der ersten von drei Etagen sechs Ausstellungen, für die ersten 100 Tage alles ohne Eintritt. Neben der Sonderausstellung «schrecklich schön. Elefant – Mensch – Elfenbein» gibt es fünf weitere Präsentationen: «Nach der Natur» im Bereich der Humboldt-Universität, die «Berlin Global»-Ausstellung von Stadtmuseum und Kulturprojekte Berlin, «Nimm Platz!» als Ausstellung für Kinder, die «Geschichte des Ortes» zur wechselhaften Historie an dieser Stelle der Stadt und schließlich «Einblicke. Die Brüder Humboldt» zu Wirken und Schaffen der Namensgeber Alexander (1769-1859) und Wilhelm (1767-1835) von Humboldt.

Copyright 2021, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten, Von Gerd Roth, dpa

Von