Knapp eine Woche vor der großen Eröffnungsgala bringt sich die Berlinale erneut als politisches Filmfestival in Stellung. Nach Rücknahme der umstrittenen Einladungen auch an die AfD geht es dabei derzeit weniger um neue Filme und Goldene Bären als um die Frage, wie mit Politikerinnen und Politiker einer rechtspopulistischen Partei umzugehen ist, die in mehreren Teilen vom Verfassungsschutz beobachtet wird.
Hintergrund ist die Einladung von fünf AfD-Politikern zur Berlinale-Eröffnung am kommenden Donnerstag, die auch angekündigt hatten, zu kommen. Das Filmfestival hatte nach internationaler Kritik die Parteivertreter aber wieder ausgeladen.
Einladen oder nicht?
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) will am bisherigen Protokoll für Einladungen von Parteivertretern festhalten. Es gebe keine Pläne, die «protokollarischen Gepflogenheiten» zu ändern, sagte Senatssprecherin Christine Richter am Freitag. «Wir handeln nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung.» Allerdings sagte Richter weiter, die Entscheidung der Berlinale-Leitung respektiere man selbstverständlich.
Bei Veranstaltungen, die mit öffentlichen Geldern unterstützt werden, werde das Parlament als Haushaltsgesetzgeber stets mit eingeladen, hatte die Senatskanzlei zuvor mitgeteilt. «Es werden alle im Abgeordnetenhaus vertretenen Fraktionen berücksichtigt.» Wie viele Einladungen an wen gehen, stimmt die Protokollabteilung der Senatskanzlei mit der Berlinale entsprechend dem Kontingent ab, das dem Land Berlin zur Verfügung steht.
Die Berlinale will eindeutig Position beziehen
Die AfD und viele ihrer Mitglieder hätten Ansichten, die den Grundwerten der Demokratie zutiefst widersprächen, teilte die Berlinale-Spitze mit. In Zeiten, in denen rechtsextreme Personen in die Parlamente kämen, wolle die Berlinale eine klare Position beziehen. Nach der «Correctiv»-Recherche und den großen Demos gegen Rechtsextremismus und gegen die AfD hatte die Debatte an Fahrt aufgenommen.
Die betroffenen Abgeordneten hätten am Donnerstag per E-Mail einen Brief erhalten, in dem die Rede davon sei, dass für Vertreter der AfD auf dem Filmfestival «kein Platz» sei, berichtete der kulturpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Marc Jongen, am Freitag. Diese sei ein «weiterer Schritt in den Gesinnungsstaat». Man werde sich davon aber nicht einschüchtern lassen.
Die Berliner AfD-Landes- und -Fraktionsvorsitzende Kristin Brinker kritisierte die Ausladung als «kulturpolitisches Fanal». «Mit ihrer Entscheidung beugt sich die Berlinale dem in den vergangenen Tagen aufgebauten öffentlichen Druck kulturpolitischer Aktivisten», sagte Brinker. Ziel dieser Aktivisten sei, die AfD und ihre Anhänger zu unerwünschten Personen zu erklären.
AfD spricht von Ausgrenzung
Brinker wies darauf hin, dass sie in den beiden vergangenen Jahren eingeladen gewesen sei und das Angebot auch wahrgenommen habe. Mit der Ausladung in diesem Jahr grenzten die Berlinale-Verantwortlichen nicht nur sie selbst und ihre AfD-Kollegen aus, sondern auch weite Teile der Gesellschaft, so die Politikerin. «Sie grenzen Menschen aus, die mit den herrschenden Verhältnissen hadern und sich in der Hoffnung auf eine Revitalisierung der Demokratie uns, der AfD, zuwenden.»
Damit wirke die Ausladung weit über den Kulturbetrieb in die Gesellschaft hinein. «Sie grenzt aus, sie stigmatisiert und spricht demokratisch gewählten Vertretern der AfD die gleichen Rechte ab, die sie anderen zugesteht», so Brinker.
Die Entscheidung liegt bei der Berlinale
Kulturstaatsministerin Claudia Roth sieht das anders. «Die Berichte zu dem Geheimtreffen in Potsdam haben jüngst sehr deutlich zutage gefördert, wie in der AfD darüber nachgedacht wird, einen großen Teil der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land zu entrechten und zu deportieren», so ein Sprecher der Grünen-Politikerin am Donnerstag. «Es ist verständlich, dass Filmschaffende aus Deutschland, Europa und der Welt sich dafür einsetzen, dass Rassisten und Demokratiefeinde keinen Platz bei der Berlinale haben sollten.» Abschließend liege die Entscheidung bei der Berlinale-Leitung, wen sie empfangen wolle – dies respektiere man.
Die Debatte, wie man mit der AfD umgehen sollte, ist bei dem großen Filmfestival nicht neu. Im Jahr 2019 hatte der damalige Intendant Dieter Kosslick kurzfristig den Dokumentarfilm «Das Geheimarchiv im Warschauer Ghetto» ins Programm genommen – und Parteivertreter dazu eingeladen. Der Film schildert die Geschichte des 1941 gegründeten Untergrund-Archivs im Warschauer Ghetto. Es sollte dokumentiert werden, wie Juden im Ghetto lebten und wie sie ermordet wurden. Die AfD hatte das Angebot aber größtenteils ausgeschlagen.