Bei den geplanten Rückgaben der als koloniales Raubgut geltenden Benin-Bronzen an Nigeria soll der Druck auf deutsche Museen und politisch Verantwortliche bleiben.
«Uns ist es sehr ernst, wir wollen damit jetzt weiterkommen», sagte der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, am Sonntag in Berlin. «Da ist jetzt schon eine gewisse Dynamik drin, die kann man auch nicht mehr aufhalten. Das ist uns wichtig.»
Zuvor war Parzinger gemeinsam mit der Sprecherin der Benin Dialogue Group aus europäischen Museen und nigerianischen Partnern, der Direktorin des Hamburger Museums am Rothenbaum, Barbara Plankensteiner, und Andreas Görgen, Leiter der Kulturabteilung im Auswärtigen Amt, zu fünftägigen Gesprächen in Nigeria. Ende April hatten deutsche Museumsspitzen und politisch Verantwortliche nach jahrelangem Zögern Rückgaben der wertvollen Kulturschätze bereits für das kommende Jahr angekündigt.
Die Objekte stammen größtenteils aus den britischen Plünderungen des Jahres 1897. Bronzen aus dem Palast des damaligen Königreichs Benin sind in zahlreichen deutschen Museen zu finden. Auch im Berliner Humboldt Forum sollen sie ausgestellt werden. Allein Berlins Ethnologisches Museum verfügt über rund 530 historische Objekte aus dem Königreich Benin, darunter etwa 440 Bronzen.
«Es war sehr eindrucksvoll zu sehen, wie wichtig dieses kulturelle Erbe für die Menschen dort ist und wie groß auch der Schmerz über den Verlust», sagte Parzinger nach seinem ersten Besuch in Nigeria. «Es geht darum, ein historisches Unrecht wiedergutzumachen, aber dennoch auch dem Rechnung zu tragen, dass diese Dinge über ein Jahrhundert weltweit gezeigt worden sind, zum Kanon afrikanischer Kunst gehören und die Vorstellungen der Welt über Afrika mitprägen, geprägt haben und auch weiterhin prägen sollen.»
Nun gehe es um Kooperation. «Wir wollen nicht nur Kulturgüter zurückgeben und das Thema dann abhaken, sondern dauerhaft zusammenarbeiten.» Dafür solle das in Benin City geplante Museum unterstützt werden. «Kooperation und Austausch müssen die Basis sein. Die Rückgaben sind der erste Schritt, um zu einem ganz neuen Verhältnis miteinander zu kommen. Das könnte auch ein Modell sein für Kooperationen mit anderen Ländern.»
Gleichzeitig betonte Parzinger: «Der Bau des Museums ist keine Bedingung für Rückgaben.» Ein erster Pavillon solle Ende 2022 fertig sein, der Museumsbau werde etwas länger brauchen. «Wir halten an dem Beschluss, im nächsten Jahr mit Rückführungen zu beginnen, auf jeden Fall fest», sagte er. «Wir wollen nichts auf die lange Bank schieben, sondern die erfreuliche Dynamik und den nötigen Druck auch hier bei uns aufrechterhalten.»
Es sei zu früh, über Zahlen zu sprechen. «Aber es geht nicht um zwei, drei symbolische Stücke. Wir wollen wirklich substanziell zurückgeben.» Alle Gesprächspartner hätten auch deutlich gemacht, dass es ihnen wichtig sei, «dass nach den Rückgaben auch weiterhin Kunst aus Benin in deutschen Museen und weltweit präsent ist».
Die Restitutionen müssen sich auch für Plankensteiner an Nigeria ausrichten. «Es ist schon auch wichtig, dass wir uns ein bisschen nach dem Tempo und dem Zeitplan in Nigeria richten», sagte sie. «Man muss dort auch genügend Möglichkeiten haben, sich entsprechend vorzubereiten und vor Ort zu organisieren.»
«Wir arbeiten an der Transparenz der Sammlungen, damit man einen besseren Überblick gewährleisten kann», sagte Plankensteiner. Deswegen sei es wichtig, die Sammlungen online zu stellen. «Ich freue mich sehr aufrichtig als Museumsdirektorin und für die Benin Dialogue Group, die sehr lange auf provisorischer Ebene arbeiten mussten, weil die Unterstützung der Politik nicht da war.» Sie rechnet damit, dass «die Rückgaben alle emotional überwältigen, nicht nur unsere nigerianischen Freunde, sondern auch uns».
Auch das Auswärtige Amt zeigte sich zufrieden mit dem Verlauf der Gespräche in dem westafrikanischen Staat. «Auf der nigerianischen Seite hat die Wertschätzung dafür immer eine Rolle gespielt, dass wir bereit sind, auch bei kultureller Infrastruktur zu helfen», sagte Görgen. «Unsere Bereitschaft, über die Rückgabe hinaus auch in eine gemeinsame Verantwortung zu gehen, da wo das gewünscht ist, ist sehr wohl wahrgenommen und wertgeschätzt worden.»
Ein nächster Schritt ist am 29. Juni die Sitzung des Stiftungsrates der Preußen-Stiftung, in dem Bund und Länder sitzen. Dort soll es einen richtungsweisenden Beschluss geben. Im Juli will Nigeria die Pläne für das Edo Museum of West African Art in Deutschland vorstellen. Auf politischer Ebene soll eine binationale Kommission die offiziellen Schritte abstimmen.