Bisher ist es meist nur ein kurzer Gang in den Keller. Wenn das Team des Hamburger Bahnhofs in Berlin um Museumschefin Gabriele Knapstein eine Arbeit aus der Flick Collection sichten wollte, waren die meisten Werke im Depot unter den Rieckhallen zu finden.
Den Hallen droht der Abriss, die berühmte Sammlung wird deswegen aus Berlin abgezogen. Die Ausstellung «Scratching the Surface» macht von Sonntag an die drohende Lücke in der Kunstwelt der Hauptstadt deutlich.
Die renommierte Sammlung des Unternehmers Friedrich Christian Flick war seit 2004 künstlerische Basis für fast zwei Dutzend Ausstellungen. Im Zentrum der etwa 1500 Arbeiten umfassenden Flick Collection stehen rund 100 Werke des US-amerikanischen Künstlers Bruce Nauman. Daneben gehören zentrale Arbeiten von Andy Warhol, Sol LeWitt, Nam June Paik oder Pipilotti Rist zur Sammlung. Zu den deutschen Künstlern zählen Sigmar Polke, Gerhard Richter, Georg Baselitz und Neo Rauch. Fast 300 Werke gingen in zwei Schenkungen an die Nationalgalerie, zu der auch der Hamburger Bahnhof gehört.
Umstritten war die Leihgabe wegen der NS-Vergangenheit von Friedrich Flick, der als Rüstungsunternehmer während des Nationalsozialismus von Zwangsarbeitern profitierte. Sein Enkel beteiligte sich nicht am Entschädigungsfonds und gründete stattdessen eine eigene Stiftung.
Knapstein will die Hoffnung zumindest bei den Rieckhallen nicht aufgeben. «Wir kämpfen für den Erhalt», sagte die Museumsleiterin am Freitag. «Alle Beteiligten bemühen sich um eine Lösung.» Der private Investor CA Immo hatte das gesamte Grundstück unweit des Hauptbahnhofs erworben und den Abriss der Ausstellungshallen vorgesehen. Der Bund will den Hamburger Bahnhof nun zurückkaufen.
25 Jahre nach Eröffnung des Hamburger Bahnhofs will Knapstein mit der aktuellen Ausstellung auch ein Zeichen setzen. Deswegen läuft «Scratching the Surface» bis zum 7. November. In diesem Monat war das Museum 1996 eröffnet worden, die benachbarten Rieckhallen wurden 2004 für die Flick Sammlung erschlossen.
In «Scratching the Surface» setzten sich Arbeiten mit dem Verhältnis von Mensch, Natur und Technik auseinander. Die Ausstellung zeigt mit Arbeiten bis zurück in die 60er Jahre, dass Ökologie und Umwelt mit Land Art, Arte Povera, Konzeptkunst bis zu zeitgenössischen Auseinandersetzungen Thema von Künstlerinnen und Künstlern ist. In den langen Hallen lassen sich nach Knapsteins Worten «von den 60 Jahren bis in die Gegenwart Linien durch die Kunstgeschichte abschreiten».
Auf dem Weg passieren Besucher nun Joseph Beuys oder Klaus Staeck, Konrad Klapheck oder Thomas Ruff und ihre Blicke auf Technik, Natur und ihre Zerstörung. Die in Berlin lebende Künstlerin Diana Barquero Pérez zeigt mit «Fließende Zeitachse», wie Giftstoffe in die natürliche Umgebung diffundieren. Aline Baiana thematisiert mit «Kreuz des Südens» die Umweltkriminalität in ihrer Heimat Brasilien.
«Scratching the Surface», Werke aus der Sammlung der Nationalgalerie, der Friedrich Christian Flick Collection im Hamburger Bahnhof und Leihgaben, 30.5.-7.11., Hamburger Bahnhof, Museum für Gegenwart Berlin, Di-Fr 10-18, Sa/So 11-18