Die Begeisterung für die Musik ist bei Benny Andersson und Björn Ulvaeus noch genauso groß wie in den 70er Jahren, als die beiden mit Abba weltweit die Hitparaden toppten.
«Noch größer», betont der 74-jährige Benny. «Ja, das geht niemals weg», schwärmt sein langjähriger musikalischer Partner Björn (76). Wie sehr es das kongeniale Songwriter- und Produzentenduo freut, mit Agnetha Fältskog und Anni-Frid Lyngstad wieder als Abba Musik machen, ist nicht zu übersehen. Auch bei den vielen Fans rund um den Globus sorgte die Aussicht, dass sie Klassiker wie «Dancing Queen», «Mamma Mia» oder «Super Trouper» bald wieder live hören können, für Begeisterung.
Seit der Auflösung der legendären Band hatten Abba ein Comeback immer wieder ausgeschlossen. Mit der Nachricht von der Reunion sorgten die Schweden am Donnerstagabend für einen echten Paukenschlag in der Musikwelt. «Es gibt eine neue Tour und ein Album – nach 40 Jahren», sagte Björn bei einem Presseevent vor rund 50 geladenen Gästen in London – und wirkte dabei fast selbst etwas erstaunt. Doch es stimmt. Erstmals seit der Trennung der Band 1982 erscheint am 5. November ein Album mit zehn neuen Abba-Songs: «Voyage».
«Ich finde, es ist ziemlich gut», sagt Benny selbstbewusst. «Wir haben es so gut gemacht, wie wir das in unserem Alter können.» Zwei Lieder, «I Still Have Faith In You» und «Don’t Shut Me Down», sind ab sofort erhältlich. Die Stimmen von Agnetha Fältskog (71) und Anni-Frid Lyngstad (75), den beiden As in Abba, klingen etwas tiefer als früher, doch der typische Abba-Sound mit den kräftigen Harmonien und Melodien zum Mitsingen ist unverkennbar.
Ursprünglich hatte die Band gar kein Album geplant. «Erst haben wir einen Song gemacht, dann mehrere. Dann haben wir gesagt: Warum machen wir nicht ein ganzes Album?», erzählt Benny strahlend. An der Arbeit mit ihren beiden Ex-Frauen, die nach der Scheidung enge Freundinnen geblieben sind, hatten offenkundig alle ihren Spaß. «Es war so schön, wieder gemeinsam im Studio zu sein», schwärmt er. Fans dürfen sich obendrein auf ein Weihnachtslied von Abba freuen.
Nicht live auf der Bühne
Allerdings werden sie ihre Idole nicht mehr leibhaftig auf der Bühne erleben. Die angekündigte Tour ist genau genommen eine spezielle Show in einem Londoner Musiktheater, das derzeit extra dafür gebaut wird. Dort werden die Bandmitglieder als digitale Avatare auf der Bühne zu sehen sein. «Man hatte uns vorgeschlagen, als Hologramme auf Tournee zu gehen, aber das ist eine veraltete Technologie», berichtet Björn auf einem Aussichtsturm im Londoner Olympia Park, von dem man das im Bau befindliche Theater sehen kann. Hologramm-Shows, etwa von Elvis Presley oder Whitney Houston, waren in den letzten Jahren eher mäßig erfolgreich und umstritten. Für Perfektionisten wie Abba kein Thema.
Die Schweden setzen auf moderne Motion-Capture-Technologie, die schon bei Kinofilmen wie «Herr der Ringe» oder «Avengers» verwendet wurde. Sie schufen digitale Abbilder, sogenannte Abbatare, die so aussehen wie die Musiker im Jahr 1979. Für Bewegung und Gesang standen Agnetha, Björn, Benny und Anni-Frid wochenlang täglich auf der Bühne. «Wir haben uns diese Ganzkörperanzüge mit Punkten angezogen», erzählt Björn. «Und dann sind wir alle zusammen aufgetreten.» Die Auftritte wurden von 160 Kameras aus jedem erdenklichen Winkel eingefangen.
«Wir haben uns darauf so lange gefreut», sagt er. Benny widerspricht grinsend: «Och, ich weiß nicht.» Tatsächlich waren die Schweden, die 1974 mit «Waterloo» den Eurovision Song Contest gewonnen hatten, schon früher bekannt dafür, dass sie nicht gern Konzerte geben. «Wir hatten eine zehnjährige Karriere und waren davon vielleicht insgesamt sechs Monate auf Tournee», sagte Björn vor einigen Monaten der «Times».
Die neue, rund anderthalbstündige Show mit 22 Songs ist ein Kompromiss. Am 27. Mai 2022 soll «Abba Voyage», bei dem die «Abbatare» von einer zehnköpfigen Liveband begleitet werden, in London starten. Warum dort? «Weil London einfach der beste Platz dafür ist», sagt Björn. Seine Vorfreude ist nicht zu übersehen.
Beim gemütlichen Reunionevent, das live im Internet übertragen wurde, will BBC-Moderatorin Zoé Ball wissen, was das Beste daran sei, ein Mitglied von Abba zu sein. «Dass man sich keine Gedanken über Geld machen muss», antwortet Multimillionär Benny Andersson, der trotz seines Ruhms ausgesprochen bodenständig wirkt. «Man kann alles tun und einfach weiter Musik machen.» Das sei im Übrigen auch der Grund dafür, dass alle vier Abba-Mitglieder so entspannt sind. Vielleicht auch eine schöne Nachricht an diesem Abend in London. Von «Money, Money, Money», wie Abba 1976 in ihrem großen Hit sangen, ist diese Reunion eindeutig nicht motiviert.