Cate Blanchett als Kanzlerin in Cannes
Cate Blanchett bei der Premiere ihres Films «Rumours» in Cannes. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Scott A Garfitt/Invision/AP)

Die Politik findet in Cannes nur da statt, wo die Festivalleitung sie haben will: auf der Leinwand. In der Satire «Rumours» ist Hollywoodstar Cate Blanchett als deutsche Kanzlerin zu sehen. Der Film spielt auf einem G7-Gipfel, der schiefläuft. Ansonsten bei den Filmfestspielen im Fokus: Kinolegenden und ihre glamourösen Auftritte. Zum Beispiel Demi Moore, die ihren Chihuahua mitgebracht hat. Er heißt Pilaf.

Dass Frankreich ein Land ist, in dem das Kino heilig ist, zeigt sich an den Szenen, die bei den Filmfestspielen Aufruhr erzeugen. Es sind nicht etwa politische Eklats. Sondern zum Beispiel eine Französin, die es wagt, die mit Spannung erwartete Premiere von Kevin Costners neuem Western im Kinosaal zweifach mit «I love you Kevin!»-Schreien zu stören.

Cate Blanchett: Keine Darstellung von Angela Merkel

Viel Gelächter gibt es bei der Premiere von «Rumours». Blanchett ist es wichtig zu betonen, dass ihre Rolle in dem Film keine Interpretation der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel sei. Und das, obwohl sie im Film mit kurzer blonder Föhnfrisur und lachsfarbenem Blazer zu sehen ist. «Wenn ich männlich wäre, würden Sie sagen: Auf welchen deutschen Bundeskanzler haben Sie sich bei Ihrer Interpretation der Bundeskanzlerin gestützt? Aber es gibt nur ein Beispiel für weibliche Führung in dieser Hinsicht», sagt Blanchett der dpa. «Jeder nimmt an, dass es Angela Merkel ist, aber das war sie natürlich nicht. Es gibt sehr wenige Beispiele für weibliche Führung in der heutigen Zeit, also muss man sie erfinden.» 

Auch Elemente der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen seien in ihrer Rolle präsent, sagt die 55-Jährige. «Auch wenn ich meine Rolle nicht auf ihr aufgebaut habe.» Blanchett spielt die Kanzlerin in dem Film von Guy Maddin, Evan und Galen Johnson mit einem bewusst überzogenen deutschen Akzent, baut das ein oder andere «Ähm» ein.

Im Film heißt die Kanzlerin Hilda Ortmann. Bis auf einen gewissen Pragmatismus hat sie tatsächlich nicht viel mit Merkel gemein. So versucht Frau Ortmann zum Beispiel während des ganzen Films, sich an den kanadischen Staatschef heranzumachen. Der Gipfel findet auf der fiktiven Burg Dankerode in Deutschland statt. Die Staatschefs werden von Zombies bedroht und verirren sich bei der Suche nach Rettung im Wald. Währenddessen spielt sich allerlei Melodrama zwischen den Politikerinnen und Politikern ab. Nationale Klischees werden aufs Korn genommen. «Rumours» ist eine absurde, kurzweilige Komödie.

Kevin Costner ringt um Fassung

Etwas mehr Ausdauer braucht das Publikum bei der Premiere von Kevin Costners lang geplantem Epos «Horizon». Der dreistündige Film – nur das erste Kapitel einer vierteiligen Reihe – ist ein klassischer Western. Er erzählt hauptsächlich von weißen Siedlern, die sich nach dem Ende des Bürgerkriegs 1865 auf den Weg nach Westen machen. Die indigene Bevölkerung kommt hauptsächlich als Aggressor vor. Das ist befremdlich, vor allem, wenn man sich ins Gedächtnis ruft, dass Costner schon 1990 in «Der mit dem Wolf tanzt» mit dieser Geschichtsverkehrung aufgeräumt hatte. Womöglich ändert sich diese Darstellung in den folgenden drei Teilen von «Horizon».

Das Spannendste an der Premiere ist zu beobachten, wie Costner nach Ende der Filmvorführung während des höflich-langen Applauses minutenlang um Fassung ringt und versucht, nicht zu weinen. Applaudiert wird hier vor allem dem Vermächtnis eines Mannes, der im Laufe seiner Karriere Kinobilder für die Ewigkeit geschaffen hat und sich im Alter von 69 Jahren nichts mehr beweisen muss.

Film mit Selena Gomez ist ein früher Favorit

Ein früher Festival-Hit hingegen ist ein Film, der auch optisch auftrumpft. «Emilia Pérez» von Jacques Audiard mit Selena Gomez in einer Rolle. Beschreibt man den Plot und das Genre, klingt es nach einem unmöglichen Projekt: «Emilia Pérez» erzählt von einem mexikanischen Mafiaboss, der sein Geschlecht zur Frau angleichen lässt, um ein neues Leben zu beginnen. Es geht um Gangster und Verbrechen, Identität, Liebe und die mexikanische Kultur – in Musical-Form.

Audiard und seinem Filmteam gelingt es, Themen wie die Trans-Identität der Hauptfigur (verkörpert von Karla Sofía Gascón) auf sensible Weise zu erzählen. Nur am Anfang steht die Geschlechtsangleichung im Vordergrund. Die Farben leuchten in diesem Film, und die Musical-Einlagen kommen an überraschenden Momenten. Gomez verkörpert die Ehefrau des Mafiabosses, die nichts von der Geschlechtsangleichung ahnt. Nach der Premiere muss auch sie beim langen Applaus sichtlich um Fassung ringen. Beim Filmfest wird dieses Jahr also gesungen, gelacht, und versucht, nicht zu weinen.

Demi Moores Kino-Comeback – in Begleitung

Das Publikum versucht unterdessen, Blicke auf die unzähligen Stars zu erhaschen. Zum Beispiel auf Demi Moore, die dieses Jahr in Cannes mit «The Substance» ein gelungenes Kino-Comeback feiert. Sie verkörpert in dem feministischen Body-Horrorfilm von Coralie Fargeat eine Frau, die mit Hilfe einer Substanz versucht, eine jüngere Version ihrer selbst zu werden. Vor der Pressekonferenz posiert sie am Montag mit ihrem Chihuahua Pilaf für die Fotografen.

Es ist nicht das einzige Tier, das in Cannes eine große Bühne bekommt. Die Liebe der Franzosen zum dramatischen Auftritt geht so weit, dass man im Festivalpalast an einem Abend sogar einen weißen Hund im gelb gerüschten Ballkleid sieht. Er heiße «Felicity», erzählt seine Besitzerin, die den Hund an einer Leine durch die Gänge führt. Und er brauche jetzt dringend etwas Wasser.

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