Mit seinen Bildern dokumentiert Sebastião Salgado Krieg, Vertreibung und Hungerkatastrophen. Aber nicht nur... (Urheber/Quelle/Verbreiter: Andre Penner/AP/dpa)

Seine Augen sahen, was viele nur aus Geschichtsbüchern kennen: Den Krieg in Jugoslawien, den Genozid in Ruanda, vertriebene Völker in Mexiko oder Hungerkatastrophen. Doch der brasilianische Fotograf und Aktivist Sebastião Salgado hat in seinem reichhaltigen Leben nicht nur die schrecklichsten, sondern auch die schönsten Dinge erlebt.

«Die Fotografie ist meine Lebensweise, sie ist meine Sprache, und während meiner gesamten Laufbahn war ich immer daran interessiert, den historischen Moment, in dem wir leben, festzuhalten und die Geschichten unserer Spezies und unseres Planeten zu erzählen», sagte er kürzlich anlässlich einer Preisverleihung für sein Lebenswerk.

Die «World Photography Organisation» in London wird ihn im April als einen «der erfolgreichsten und weltweit gefeierten Fotografen der Gegenwart» mit dem Preis für den «Herausragenden Beitrag zur Fotografie» (Outstanding Contribution to Photography) auszeichnen. Seine Bilder seien zu einem «Symbol des zeitgenössischen Fotojournalismus» geworden, hieß es bei der Preisankündigung im November des vergangenen Jahres. Nun wird Salgado 80 Jahre alt.

Er kam am 8. Februar 1944 in der Kleinstadt Aimorés im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais zur Welt. Er studierte Wirtschaftswissenschaften in São Paulo, floh dann vor der Militärdiktatur aus seiner Heimat und machte einen Doktor in Ökonomie in Paris.

Er arbeitete zunächst bei der Internationalen Kaffeeorganisation in London, ehe sein Leben 1973 eine Wendung nahm. Auf einer Dienstreise in Afrika machte er seine ersten Aufnahmen mit der Leica seiner Frau und fing Feuer. Er kündigte, zog zurück nach Paris und begann als Fotograf zu arbeiten, unter anderem für die renommierten Agenturen Sygma, Gamma und Magnum.

Er macht das Unsichtbare sichtbar

Dadurch wurde er mit verschiedenen Kulturen, Konflikten und globalen sozialen Problemen konfrontiert, die seine Perspektive und sein Werk in den folgenden Jahrzehnten prägten. Er hatte den Glauben an die Spezies Mensch verloren, sagte er einst. «Andere Fotografen sind ein paar Tage in einem Krisengebiet, oder nur ein paar Stunden. Salgado hat oft Monate zugebracht, um die Menschen dort kennenzulernen», sagt Regisseur Wim Wenders, der den Fotografen 2014 in seinem Dokumentarfilm «Salz der Erde» porträtierte.

Salgados Werke sind vor allem für ihre Schwarz-Weiß-Kompositionen bekannt. «Die Abwesenheit von Farbe entfernt Ablenkungen und zwingt den Betrachter dazu, sich mit der rohen Essenz des Themas auseinanderzusetzen», heißt es von Salgados Agentur «Amazonas Images». In seinen Bildern hält er oft den monumentalen menschlichen Kampf fest, aber betont auch die Widerstandsfähigkeit und Würde seiner Motive.

Ob es sich um Arbeiter in brasilianischen Goldminen oder um Vertriebene handelt, die sich in gefährlichem Gelände zurechtfinden müssen – der rote Faden menschlicher Stärke zieht sich durch sein Portfolio. Seine Bilder geben oft den Menschen und Gemeinschaften eine Stimme, die sonst übersehen oder ignoriert werden. Das Unsichtbare macht er sichtbar.

Nach Jahren an den unwirtlichsten Orten der Welt, Kriegsschauplätzen und Flüchtlingslagern, konnte Salgado nicht mehr. Nach einer seelischen Krise kehrte er zurück nach Brasilien auf die Farm seiner Eltern. Dort forstete er den ausgezehrten Boden auf und gründete das gemeinnützige «Instituto Terra». 1998 wurde das Land in ein Naturschutzgebiet umgewandelt, seither wurden Millionen Bäume gepflanzt.

2021 schließt sich Salgado mit dem Musiker Gilberto Gil zu einem neuen Aufforstungsprojekt zusammen, bei dem im Jahr eine Million Bäume gepflanzt werden sollen. Gil, einer der populärsten Musiker Brasiliens, brachte zum Start der Kampagne einen eigenen Song mit dem Titel «Refloresta» heraus.

Die Schönheit der Schöpfung zeigen

Wenn er nicht in Brasilien ist, lebt Salgado mit seiner Frau, einer Architektin, in Paris. Das Paar ist seit 1967 verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne. Salgado erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den World Press Photo Award (1985), den Grand Prix National de la Photographie (1994) und den Prinz-von-Asturien-Preis (1998). Er arbeitete mit Unicef, Amnesty International und Ärzte ohne Grenzen zusammen, für deren Kampagnen er Bilder zur Verfügung stellte.

2019 wurde er als erster Fotograf mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Mit seinen Arbeiten fordere er soziale Gerechtigkeit und Frieden und verleihe der weltweit geführten Debatte um Natur- und Klimaschutz Dringlichkeit, hieß es damals.

Nach seinen sozialfotografischen Werken wie «Arbeiter», «Migranten» und «Afrika» richtete er sein Objektiv auf unberührte Regionen der Welt, was in der Serie «Genesis» gipfelte. Imposante Landschaftsaufnahmen und intensive Tierbilder sind ihm dazu gelungen. Acht Jahre lang reiste er in zig Länder, dokumentierte die Schönheit der Schöpfung.

Bis vor kurzem war seine Ausstellung «Amazônia» in der spanischen Hauptstadt Madrid präsent. Es ist eine Sammlung dutzender Reisen in das Gebiet, in dem er auch unter zwölf verschiedenen indigenen Stämmen lebte. Doch die rund 200 Werke aus sieben Jahren zeigen nicht Abholzung, Brände, illegale Goldsuche und Waffen. Sie zeigen das Amazonasgebiet und die indigenen Völker, die den Regenwald bewahren. «Unser Ziel ist es nicht, den Schrecken der Verwüstung anzuprangern, sondern die unvergleichliche Schönheit dieser Region zu zeigen und zu unterstreichen, wie wichtig es ist, sowohl den Wald als auch seine Bewohner zu erhalten», sagte Salgado.

Gleichwohl machen ihm die Auswirkungen der globalen Erderwärmung Sorgen. Unser Planet sei noch nie so stark gefährdet gewesen wie in diesem Jahrhundert, sagte er. Die Menschheit habe deshalb als Ganzes die Verantwortung, «ihr gemeinsames Erbe zu bewahren, zu dem auch das Wunder Amazonas gehört».

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