Jason Williamson, Sänger des britischen Duos Sleaford Mods, beim Tempelhof-Sounds Festival in Berlin. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Britta Pedersen/dpa)

Ein Album voller Ekel auf die Gegenwart, ein Album aus dem Lockdown: Das Elektro-Punk-Duo Sleaford Mods hat das Dutzend voll gemacht. «UK Grim» ist das zwölfte Album von Jason Williamson und Andrew Fearn und es ist wirklich grimmig: Die heiseren Hass-Tiraden als Sprechgesang von Williamson im Midlands-Dialekt, gepaart mit dem minimalistischen Mix aus Punk, Dub und Hiphop von Musikproduzent Andrew Fearn: Das ist Sleaford Mods.

«UK Grim» darüber hinaus eine düstere Diagnose. Inflation, Brexit, Krieg. War es jemals schlimmer da draußen? «Die Fäulnis hat eingesetzt», sagt Williamson. Ein typischer Satz seiner apokalyptischen Poesie. Sein Anspruch: «Es ist wichtig, die dunklen Seiten der Dinge zu erforschen.»

Britische Arbeiterklassen-Lyrik

14 Tracks voll Protest, Wut, Zorn, Rage – das ist die Gefühlswelt der Sleaford Mods, passend präsentiert mit Schimpfwörtern, Kraftausdrücken, Flüchen, Entgleisungen – britische Arbeiterklassen-Lyrik. Sogar seine Frau habe dem Album attestiert, «wirklich verdammt wütend» zu sein, sagt Williamson. Gast auf dem neuen Album: Perry Farrell von Jane’s Addiction beim Song «So Trendy».

Sleaford Mods wurden 2007, noch ohne Fearn, von Williamson und Simon Parfrement ins Leben gerufen. Im selben Jahr veröffentliche das Duo in Eigenregie ihr selbstbetiteltes Debüt und den Nachfolger «The Mekon». Die frühen Alben, darunter auch «Squeeze», waren minimalistisch produziert und von Lo-Fi geprägt. Fearn kam erst 2012 offiziell dazu. Parfrement ist als Fotograf und Filmer der Band weiterhin an Sleaford Mods beteiligt.

Nach Kooperationen mit The Prodigy und Leftfield wurden Sleaford Mods 2015 mit dem Album «Key Markets» einem etwas breiteren Publikum bekannt. Es folgten weitere Szene-Erfolge mit «English Tapas» (2017), «Eton Alive» (2019) und «Spare Ribs» (2021). In England schafften es immerhin drei ihrer Alben in die Top Ten.

Sleaford Mods bringen Wucht in die Hallen

Mit jeder neuen Veröffentlichung entwickelte das Duo den eigenen Sound weiter und ließ Elemente aus elektronischer Musik, Post-Punk oder Dub einfließen. In Interviews bezeichneten Sleaford Mods ihre Musik als «elektronische, minimalistische Punk-Hop-Schimpftiraden für die Arbeiterklasse und die Klassen darunter aus Nottingham». Obendrein veröffentlichten sie diverse EPs, Compilations und ein Live-Album.

Für Aufsehen sorgte im vergangenen Jahr ein Video, das Punkikone Iggy Pop postete und das anschließend viral ging. In dem kurzen Clip tanzt Iggy Pops Papagei zum Sleaford-Mods-Song «Tweet Tweet Tweet».

In Deutschland sind die Sleaford Mods Geheimtipp geblieben, obwohl Konzertbeobachter dem Duo, inzwischen Anfang 50, attestieren, mit ihrem Bühnen-Equipment bestehend aus drei Kästen Bier, einem Laptop und einem Stand-Mikrofon erstaunlich viel Wucht in die Hallen zu tragen. Laut «Süddeutscher Zeitung» wirken die Sleaford Mods wie ein «Pop-Insiderwitz von vorgestern»: «Aber dann erlebt man sie, und dann kapiert man plötzlich.»

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