Prinz Harry und Herzogin Meghan in einer Szene der Dokumentation «Harry & Meghan». (Urheber/Quelle/Verbreiter: Duke And Duchess Of Sussex/Netflix via PA Media/dpa)

Der Palast angeblich «traurig» und Bruder William «stocksauer», die Presse tobt: Mit den ersten Folgen ihrer Netflix-Doku haben Prinz Harry und Ehefrau Meghan in Großbritannien eine Welle der Empörung ausgelöst. «So schmerzhaft! Royals „zutiefst verärgert“ über Harrys Beleidigungen», titelte etwa die Zeitung «Daily Express» am Freitag.

Der «Telegraph» zitierte einen royalen Insider mit den Worten, das Paar wolle die Monarchie stürzen. Ein Abgeordneter der regierenden Konservativen Partei forderte, dem Herzog und der Herzogin von Sussex die königlichen Titel abzuerkennen, wenn sie doch offenbar die Monarchie so sehr hassten.

Die großen Kracher blieben aus

Dabei blieben die ersten drei Folgen von «Harry & Meghan», die seit Donnerstag abrufbar sind, deutlich hinter den Befürchtungen zurück. Direkte Angriffe auf Mitglieder der Royal Family blieben aus. Das Paar plauderte über seine Beziehung, ließ Ausschnitte vom Heiratsantrag zeigen. Mit Blick aufs Königshaus sprachen die beiden, die seit längerem keine aktiven Mitglieder der Royal Family sind, Themen an, die bereits seit dem Interview mit Oprah Winfrey im März 2021 in der Welt sind: die Verstrickungen mit der britischen Boulevardpresse sowie den Umgang mit Rassismus und der britischen Kolonialgeschichte. Doch die erwarteten Kracher blieben aus.

«Wenn Sie die Trailer gesehen haben und dachten, „Harry & Meghan“, die stark beworbene neue Serie von Netflix, würde explosiv, seien Sie darauf gefasst, enttäuscht zu werden», kommentierte die BBC. Auch US-Medien zeigten sich enttäuscht. «Mit der heutigen Veröffentlichung (…) überraschen uns die Sussexes wieder einmal, wie eng ihre Vision von ihrem Ruhm ist, wie eingeengt und einfallslos ihre Präsenz auf der Weltbühne geworden ist», schrieb «Variety».

Die Klatschpresse war Ziel der Angriffe

Zielscheibe der ersten Folgen ist klar der britische Boulevard, deren Royal-Korrespondenten Harry als «verlängerten PR-Arm der Royal Family» betitelt. Palast und Presse hätten eine Art Pakt mit dem Teufel geschlossen, der dem Boulevard fast uneingeschränkte Macht darüber gebe, was und wie über die Royals berichtet werde.

Wenig überraschend schlugen die Beschuldigten am Tag danach zurück: Die «Daily Mail» sprach von einem «Kriegsbeil» und kommentierte, das Paar habe «den Krieg der Royals» neu entzündet. Mit ihren Aussagen über den Staatenbund Commonwealth, der in der Sendung als britisches «Empire 2.0» kritisiert wurde, hätten sie das Vermächtnis von Harrys Großmutter Königin Elizabeth II. zutiefst beleidigt, zitierte der «Telegraph» einen Insider.

Auch neutrale Beobachter sind sicher, dass die Tür für das Paar, das mit den Kindern Archie (3) und Lilibet (1) in Kalifornien lebt, nun zu ist. «Die Doku macht es wahrscheinlicher, dass er nicht mehr zurückkommt», sagte der Verfassungsrechtler und Monarchie-Beobachter Craig Prescott von der walisischen Universität Bangor der Deutschen Presse-Agentur. Kommenden Donnerstag erscheinen drei weitere Folgen – dann, so sind Beobachter sicher, wird es noch persönlicher. «Nächste Woche wird es giftig», sagte ein Insider der Zeitung «Daily Mail».

Harrys Autobiografie erscheint im Januar

Vor allem Harrys älterer Bruder Prinz William soll «stocksauer» sein. Dem Thronfolger stößt laut «Mirror» vor allem übel auf, dass Netflix Szenen aus dem berühmten BBC-Interview seiner Mutter Diana genutzt habe, in dem sie 1995 von der Affäre ihres Ex-Mannes Charles, des heutigen Königs, erzählt hatte. William sei davon ausgegangen, dass die Ausschnitte nie wieder gezeigt würden und dass er mit seinem Bruder darin übereinstimme. Nun fühle er sich betrogen.

Zudem sollen William und seine Ehefrau, Prinzessin Kate, Aussagen von Harry als «besonders schmerzhaft» empfunden haben, der nahelegte, dass die Männer der Familie nicht aus Liebe heirateten. Kritiker wiesen auch darauf hin, dass Meghan sich über die Queen lustig gemacht habe, als sie Scherze über ihr erstes Treffen mit Harrys Großmutter machte und einen übertriebenen Knicks nachahmte. Dass Harrys Autobiografie am 10. Januar erscheint, deren Titel «Reserve» bereits die Stoßrichtung nahelegt, dürfte das royale Weihnachtsfest weiter belasten.

Doch nicht alle machen Harry als Schuldigen aus. «Wenn sich der Buckingham-Palast in den Schmutz begibt, sieht er nie gut aus», kommentierte der Royal-Experte Peter Hunt mit Blick auf die vielen Insider-Zitate. Die Queen habe Affären stets ausgesessen: «Man kann erkennen, warum Charles‘ Mutter oft würdevolles Schweigen bevorzugt hat.»

Für die Royals könne die Rassismus-Debatte, die mit Meghans und Harrys Doku weiter schwelen dürfte, durchaus eine Chance bedeuten, meint Experte Prescott. Es sei deutlich, dass sich der Palast weiterentwickeln und ein immer diverseres Vereinigtes Königreich besser repräsentieren müsse. «Vielleicht ist das eine Gelegenheit, die Probleme anzugehen, die Harry und Meghan ansprechen.»

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