Fritz Pleitgen beim WDR in Köln (1995). (Urheber/Quelle/Verbreiter: Roland Scheidemann/dpa)

Fritz Pleitgen war schon schwer von seiner Krankheit gezeichnet, aber dennoch entsprach er der Bitte, sich zum Ukraine-Krieg zu äußern. Sehr blass und sehr schmal saß der einstige Fernsehjournalist und Intendant auf dem Sofa seines Hauses in Bergisch Gladbach bei Köln. «Der Krebs nagt an mir», gestand er. Das Reden mache ihn müde. Inhaltlich aber fielen seine Antworten so analytisch geschliffen aus wie eh und je.

Ja, er sei für die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Nur das könne den russischen Präsidenten Wladimir Putin an den Verhandlungstisch zwingen. Aber nein, «die Russen sind keine anderen Menschen als wir. Ich habe sie immer als Gesprächspartner erlebt, mit denen sich der Gedankenaustausch lohnte». Die vielen Menschen, denen er auf seinen Reportage-Reisen durch Russland begegnet sei, hätten ganz ähnliche Vorstellungen vom Leben gehabt wie er selbst. «Ich habe da keine signifikanten Unterschiede festgestellt und bin weit davon entfernt, die Russen aus unserem Milieu ausschließen zu wollen.»

Mit 84 Jahren gestorben

Am Donnerstag ist Fritz Pleitgen im Alter von 84 Jahren gestorben, wie der WDR am Freitag bekanntgab. «Ein großer Kapitän verlässt nun die Bühne des Lebens», würdigte ihn der heutige WDR-Intendant und ARD-Vorsitzende Tom Buhrow. «Er hat den WDR geprägt wie kaum ein anderer. Fritz Pleitgen stand für Mut und Fairness, und er liebte seinen WDR.»

Pleitgen hinterlässt seine Frau, mit der er seit 1969 verheiratet war, drei Söhne und eine Tochter. Man darf sich ihn als glücklichen Menschen vorstellen, privat wie beruflich. «Per saldo ist das gelaufen, als ob jemand das gesteuert hätte», bilanzierte er am Ende. «Denn so überragend begabt bin ich nun auch nicht.»

Der große hagere Mann kam aus dem Ruhrgebiet, aus Duisburg-Meiderich. 1938 wurde er dort geboren, mitten unter Ruß spuckenden Kokereien und Hochöfen mit züngelnden Stichflammen. Den Zweiten Weltkrieg hatte er noch bewusst miterlebt. «Meine ersten Wahrnehmungen sind Flammen und Sirenengeheul.»

Nach dem Krieg wuchs er in Bünde in Ostwestfalen auf. Im Konfirmationsanzug sammelte er seine ersten Erfahrungen als Zeitungsreporter. Seine beste Schule sei das Amtsgericht gewesen, erzählte er einmal: Dort habe er gelernt, dass man sich nie nur auf eine Quelle verlassen dürfe. 1963 holte ihn der WDR, schon bald berichtete er aus dem Zypern-Konflikt und dem Sechs-Tage-Krieg. In den 1970er Jahren war er Korrespondent in Moskau und Ost-Berlin. 1982 ging er nach Washington.

Die erzkonservative Politik des damaligen Präsidenten Ronald Reagan sagte ihm persönlich nicht zu, was ihn aber nicht davon abhielt, den Mann sympathisch zu finden. Als er sich wegen kritischer Fragen einmal den Zorn von Reagans Pressesprecher zuzog, legte ihm der Präsident väterlich den Arm auf die Schulter und sagte zu dem Sprecher: «Bob, he had his job to do.» (Bob, er hat doch nur seinen Job gemacht.)

1994 wurde Pleitgen WDR-Hörfunkdirektor und ein Jahr später als Nachfolger von Friedrich Nowottny Intendant. Das blieb er zwölf Jahre lang, bis 2007. Sein letztes Großprojekt war die Kulturhauptstadt Ruhr 2010. Hier war er von 2007 bis 2011 Vorsitzender der Geschäftsführung und als solcher «das Gesicht des Reviers». Es ging ihm darum, überholte Vorstellungen vom einstigen «Kohlenpott» abzubauen und neue Bilder vom Ruhrgebiet um die Welt zu schicken. Als im Kulturhauptstadt-Jahr 21 Menschen bei der Loveparade-Katastrophe starben, fuhr Pleitgen als einer von wenigen sofort an die Unglücksstelle und räumte öffentlich eine moralische Mitverantwortung ein.

Korrespondent in Moskau

Haltung zeigte Pleitgen auch, nachdem er 2020 an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankt war. Bitterkeit oder gar Selbstmitleid waren ihm fremd, stattdessen bekundete er Dankbarkeit für die gute Behandlung und die Zuwendung, die ihm zuteil wurden. «Ich weiß, bei Krebs ist man wirklich in Gottes Hand, und ich genieße jeden Tag, den ich hier noch zusätzlich auf Erden wandeln kann.»

Was sein geliebtes Russland betrifft – das Riesenreich, das er auch lange nach seiner Korrespondententätigkeit immer wieder bereiste – so musste er sich am Ende seines Lebens von einigen Illusionen verabschieden. Die Gefährlichkeit von Putin habe er unterschätzt, räumte er ein. Gleichzeitig war er fest davon überzeugt, dass Putin nicht das letzte Wort haben würde. «Die jungen Leute werden sich das auf Dauer nicht gefallen lassen», prophezeite er. «Wir haben ja schon einmal erlebt, dass da Zehntausende auf die Straße gegangen sind, und das kann sich leicht wiederholen.» Er wusste aber, dass er selbst das nicht mehr erleben würde.

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