Peter Doherty in seiner Ausstellung «Contain yourself (seriously)». (Urheber/Quelle/Verbreiter: Soeren Stache/dpa)

Es ist auch eine Begegnung mit der Vergangenheit. Peter Doherty, für die meisten Fans des Musikers einfach nur «Pete», geht scheinbar ziellos durch die Berliner Galerie. Es sind seine eigenen Bilder, die ihn erst zu dieser Wand, dann dort um die Ecke locken. «Das war für mich verschwunden», sagt er. Oder: «Völlig vergessen.»

Die Ausstellung «Contain yourself (seriously)» zeigt 10. September bis zum 22. Dezember rund 50 Arbeiten des Sängers. Es ist die erste Retrospektive des mit den Bands Babyshambles und The Libertines weltberühmt gewordenen Musikers.

Ein exzessives Leben

Der Name des 43 Jahre alten Briten ist mit Exzessen verbunden: ein von Drogen gezeichnetes Leben, stundenlange Verspätungen von Konzerten der gefeierten Bands, eine Amour fou mit dem damaligen Topmodel Kate Moss. Seit einigen Jahren ist Doherty weg von den Drogen, er lebt in der Normandie, ist verheiratet mit Katia de Vidas, die auch im jüngsten Band-Projekt The Puta Madres spielt.

Für den Weg zu Collagen, Zeichnungen, Gemälden gab es «keinen rationalen Grund», sagt Doherty der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. «Es hat mir einfach eine Menge Spaß gebracht, manchmal so ähnlich wie mit Musik, wenn ich das Ergebnis gesehen habe.» Vieles lag nah. «Lange Zeit ging das Hand in Hand. Der Zustand, in dem ich Songs geschrieben habe, war ähnlich wie vor einer Leinwand.»

«Musik ist viel komplizierter»

Und doch sind da Unterschiede. «Musik ist viel komplizierter», sagt Doherty. Viele der Werke seien von Musik beeinflusst. So basiert eine Arbeit auf dem Text des Libertines-Songs «Belly of the Beast». Direkt gegenüber hängt die Antwort auf die Werbung für ein Konzert 2015 in Hongkong. «Das Plakat für das Festival war schrecklich», so Doherty. «Also habe ich das in meinem Hotelzimmer gemacht.» Als Grundlage diente eine alte chinesische Werbung für Zigaretten, die Doherty mit durch Schablonen mehrfarbig gesprühten Buchstaben umfunktionierte.

In frühen Werken arbeitet er viel mit Texten, Zitaten aus Literatur, Filmen, Musik. Auf Papier gebracht mit Schreibmaschinen, von denen er eine ganze Sammlung besitzt. Doherty verbindet die einzelnen Werke mit eingesprochenen Passagen, die in der Ausstellung zu hören sind.

Blut dient als Farbe

Sein Stil ist expressiv wie die eingesetzten Mittel. Für das erste öffentliche Bild 2005 – das Cover eines britischen Literaturmagazins – malt er sich selbst. Blut dient als Farbe, dazu ein Zitat aus Goethes Faust zum Pakt mit dem Teufel.

Viele der nun zu sehenden Arbeiten stammen aus Zeiten von Dohertys Drogensucht, die Folgen des Umgangs mit der Nadel sind sichtbar. Einen «Union Jack» – die englische Fahne – malte er 2013 mit seinem Blut. Materialbeschreibung: «Blood on canvas».

«Doherty nutzte zu der Zeit Blut als Stilmittel; nicht um zu schockieren, sondern weil er es als Symbol der Selbstaufopferung des Künstlers sah, der alles was er in sich hat, in sein Leben, seine Musik und seine Bilder einfließen lässt», analysiert Christian Martinez Schwabbauer. Der Berliner Wissenschaftler ist vom Sammler zum Freund Dohertys geworden. Er knüpfte die Verbindungen für diese Retrospektive. Eine erste Einzelausstellung gab es 2007 in London. Es folgten Präsentationen etwa in Spanien und Frankreich.

Während einer Therapie wird Doherty vom Blut als Stilmittel abgeraten. Er arbeitet weiter mit Collagen, nutzt Acryl und Pigmentfarben, zeichnet mit Kohle- und Bleistift, kombiniert Objekte.

Doherty steht vor «Contain yourself (seriously)», was sich mit «reiß dich zusammen, ernsthaft» übersetzen lässt. Es ist eine zusammenhanglos wirkende Sammlung von Zeichen, Linien, Teilen einer Telefonnummer, einem Herz, einem Hakenkreuz, einem Pfundzeichen. Alles auf ein Stück Mauer gekritzelt. Als Wand gehörte es zu einem Gebäude im englischen Margate, in dem die Libertines ein Hotel eröffneten. «Bevor es ein Hotel wurde, habe ich da gelebt, da habe ich einfach auf die Wände gemalt.»

Drogen spielen eine große Rolle in seiner frühen Kunst. «Das hatte einen riesigen Einfluss auf meine Geistesverfassung zu der Zeit», sagt Doherty. «Ich glaube, ohne dieses Chaos in meinem Leben und die Drogen wäre die Kunst völlig anders.»

Den Wert seiner Arbeiten für andere erkennt Doherty erst, als 2003 für ein ihm gestohlenes Bild 4000 Pfund bezahlt werden, damals rund 6400 Euro. Ein echter Doherty für die heimische Wand ist heute als Zeichnung ab 1400 Euro zu haben. Für die Wandarbeit aus dem Libertines-Hotel sind dann allerdings schon 35.000 Euro fällig.

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