Die Neue Nationalgalerie in Berlin. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Fabian Sommer/dpa)

Sein jüngstes Meisterwerk hat David Chipperfield noch nicht einmal gesehen.

Während Fachwelt und erste Besucher bereits nach immer neuen Wörtern der Begeisterung suchen, wird der britische Stararchitekt coronabedingt erst an diesem Eröffnungswochenende die fertig sanierte Neue Nationalgalerie in Augenschein nehmen.

Fünf Jahre lang hat er mit seinem Team den ikonischen Bau von Ludwig Mies van der Rohe (1886-1969) mit hochmodernen Mitteln in gewollt alten Stand versetzt. Der nächste Auftrag aus Deutschland wartet schon auf ihn. Chipperfield holt für das Auswärtige Amt das frühere Goethe-Haus, ein repräsentatives Palais in Manhattan, für 20 Millionen Euro aus dem Dornröschenschlaf.

Auch in New York will Chipperfield wieder behutsam mit historischer Substanz umgehen. «Wir versuchen stets, nicht einfach eine formale Idee zu verfolgen. Design ist kein Selbstzweck. Design ist ein Werkzeug, das Dinge ermöglicht», sagt Chipperfield der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. «Im Fall der Neuen Nationalgalerie ging es nicht darum, die Handschrift von Chipperfield in das Projekt zu bringen, sondern das Gebäude auf sich selbst zurückzuführen.» Das sei in New York ähnlich. «Wir wollen kein architektonisches Projekt verwirklichen mit wunderbaren Räumen, Fassaden oder sowas. Es geht darum, die Möglichkeiten des Objektes zu erschließen mit dem vorhandenen Gebäude und seinen Zielen, um die es geht, damit beides besser zusammenkommt.»

Das sechsgeschossige Gebäude im Beaux-Arts-Stil mit hellgrauer Fassade und grünem Kupferdach steht an der Fifth Avenue im Herz von Manhattan gegenüber dem Metropolitan Museum. Die Bundesrepublik Deutschland kaufte es 1955 James Gerard ab, einem ehemaligen US-Botschafter in Deutschland. Das repräsentative Gebäude in bester Lage auf der Upper East Side diente lange als Hauptsitz des Goethe-Instituts in New York. Derzeit ist es ein «Platz für Ideen» unter dem Namen «1014», angelehnt an die Hausnummer in der 5th Avenue.

Nach dem Umzug des Goethe-Instituts ins südlichere Manhattan fehlte es an überzeugenden Konzepten. Teure Unterhaltskosten und Brandschutzvorgaben aus Deutschland machten das lange Zeit kaum genutzte Gebäude zu «Deutschlands teuerstem Spukschloss».

Nun soll ein Zentrum für transatlantische Begegnungen daraus erwachsen. Hier gaben sich mal vom damaligen Kanzler Willy Brandt bis zum früheren US-Außenminister Henry Kissinger alle die Klinke in die Hand. Das Auswärtige Amt will daran anknüpfen und dabei andere transatlantische Player in New York einbinden.

«Wir brauchen mehr und mehr Gelegenheiten für strukturierte Dialoge über für uns heute wichtige Themen. Das war noch nie so notwendig wie jetzt», sagt Chipperfield. «Eine Institution wie diese, die organisiert ist, um zu diskutieren über Ideen, die etwas zu tun haben mit der Art, wie wir leben, über Probleme, mit denen wir konfrontiert sind, ist ein fantastisches Konzept.»

Künftig sollen Stipendiaten und Forscher an einem Ort leben und arbeiten, der zugleich als Begegnungsstätte und Veranstaltungsort dient. «Sich dafür in einem von Wissenschaftlern genutzten und intellektuell besetzten Haus zu befinden, ist deutlich faszinierender als etwa irgendein Raum in einem Museum.» Chipperfield spricht von einer «Stätte der Ideen».

Nach dem Entwurf überschneiden sich die verschiedenen Aktivitäten im Haus. «Es wäre schade, wenn man für einen Empfang oder eine Lesung in das Gebäude käme und nicht bemerken würde, dass dort Stipendiaten residieren», erläutert Chipperfield. «Dafür haben wir das Gebäude so offen und freundlich wie möglich gestaltet und die institutionellen Einrichtungen weitgehend reduziert.» Der Ort solle sich nicht zu förmlich anfühlen. «So haben wir eine Reihe von etwas komplexeren Räumen geschaffen, also nicht nur Arbeitsbereiche und Konferenzräume, sondern Bereich im Gebäude, wo sich verschiedene Level von Privatheit oder Öffentlichkeit schaffen lassen.»

Zu diesem Zweck bekommt das Gebäude ein sichtbares Zentrum. «Mit einem über zwei Etagen reichenden Aufenthaltsraum versuchen wir einen Ort zu schaffen, wo sich öffentliche und private Welt treffen können.» Bewohner können dann laut Chipperfield jederzeit Besucher hierher einladen. «Dieser Raum öffnet sich den eher formlosen Gelegenheiten, er soll eine Art Brücke schlagen zwischen dem eher institutionellen Geschehen und den weniger förmlichen Aktivitäten.»

Das setzt sich draußen fort. «Mit der Umgestaltung des Gartens wollen wir die Situation eines typischen New Yorker Townhouse schaffen: Wenn man durch die Hintertür rausgeht, kommt man in einen sehr schönen Garten», beschreibt Chipperfield die Pläne. «So haben wir Bereiche geschaffen, wo sich die Menschen zwanglos begegnen können, statt nur zu einer gewissen Uhrzeit bei einer Veranstaltung zu sein und anschließend nach Hause zu gehen.»

Chipperfield hat schon einiges in Berlin wie New York realisiert. Worin unterscheiden sich beide Städte? «In gewisser Weise gibt es in New York vielleicht nicht mehr besondere Gebäude als in Berlin», sagt der Architekt. «Andererseits ist die ganze Stadt ein Fest der Architektur. New York ist schon für sich ein architektonisches Monument, das Konzept einer Stadt in seiner ultimativen Dimension.»

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