Westcoast-Haudegen David Crosby überzeugt mit seinem neuen Album «For Free». (Urheber/Quelle/Verbreiter: Anna Webber/Another Dimension PR /dpa)

David Crosby wurde 1941 in Los Angeles geboren, der sieben Jahre jüngere Jackson Browne wuchs als Kind in der Küstenmetropole auf. Es ist aber vor allem ihre Musik, die sie bis heute zu Weltstars der berühmten Westcoast-Szene macht.

Ihr Sound: eine mit viel kalifornischem Lebensgefühl angereicherte Stilmixtur aus US-Folkrock und Country, Flower-Power-Pop und Jazz, die in den 1960er und 70er Jahren zeitweise global die Radiowellen, Charts und Kritiker-Hitparaden dominierte. 

Ikonen einer glorreichen Ära

Man muss kein Prophet sein für die Vorhersage, dass die nun gleichzeitig erschienenen Alben der Veteranen nicht mehr dieselbe Wirkung erzielen werden wie vor Jahrzehnten ihre Meisterstücke. Wie auch? Crosbys Platten mit The Byrds oder Crosby, Stills & Nash (zeitweise auch inklusive Neil Young) sind Ikonen einer Ära; Brownes melodieseliger Songwriter-Pop von einst ist immer noch ein perfekter Soundtrack für sanfte Hippies der Seventies und danach. Beide Musiker sind schon lange Mitglieder der Rock And Roll Hall Of Fame – also eigentlich Museumsstücke.

Und doch: David Crosby (79) poliert mit «For Free» seinen etwas verblassten Glorienschein nun ebenso auf wie Jackson Browne (72) mit «Downhill From Everywhere». Besonders erstaunt bei beiden betagten Herren, wie fantastisch sich ihr unverkennbarer Gesang gehalten hat.

Ihre Stimmen klingen 1A

«Das weiß ich echt nicht», sagt Crosby, der im Zoom-Interview der Deutschen Presse-Agentur sehr alt aussieht und sehr jung klingt, kichernd auf die Frage, welche Wundermittel seiner hellen, klaren Stimme seit über 50 Jahren helfen. «Ich tue nichts Besonderes dafür. Okay, ich rauche keine Zigaretten mehr, das hilft. Aber ich rauche natürlich Marihuana, sogar eine ganze Menge. Doch das scheint meiner Stimme eben nicht zu schaden. Solange sie so gut funktioniert, werde ich sie zur Hölle noch mal benutzen.» Ja bitte.

Browne wiederum erzählt im Fachblatt «Rolling Stone» (Juli-Ausgabe), sein dunklerer Gesang bleibe «einfach durchs Singen» schön. Er gibt aber auch zu, vor Jahren mal «bei verschiedenen Gesangslehrern» gewesen zu sein. «Diese Sorge, wie ich so gut wie möglich singen kann, begleitet mich schon mein ganzes Leben. Und mit gut meine ich nicht stark. Manchmal ist leise besser als kraftvoll.»

Doch was wären feinste Vocals, wie sie diese Westcoast-Helden nun schon seit Ewigkeiten zuverlässig drauf haben, ohne starke Songs? In dieser Hinsicht hat sich vor allem Grammy-Gewinner Crosby auf «For Free» selbst übertroffen – mehr noch als bereits auf seinen vier vorherigen Comeback-Platten nach langer Solo-Pause, von «Croz» (2014) bis «Here If You Listen» (2018).

Song von Joni Mitchell

Schon das Titelstück ist eine Offenbarung der Songschreiber-Kunst. «For Free» stammt allerdings von Joni Mitchell, Crosbys ehemaliger Freundin, die er bis heute verehrt. «Ich denke, sie ist die Beste von uns allen», sagt er dazu. «Ich liebe ihre Lieder. Sie ist eine schwierige Frau (lacht), aber eine fantastische Songwriterin, Sängerin und Musikerin. Ich kann Joni einfach nicht widerstehen.»

Aufgenommen hat Crosby die Ballade im Duett mit der 30 Jahre alten Sängerin Sarah Jarosz, den Klavier-Part übernahm sein Sohn James Raymond. Bei dessen Erwähnung gerät der mit einem mächtigen Walross-Schnäuzer ausgestattete Musiker im Interview erneut ins Schwärmen. «Es ist ein Geschenk, mit einem solchen Sohn gesegnet zu sein. Ich sage den Leuten gern, dass ich der glücklichste Kerl überhaupt bin. James ist zu einem Songwriter gereift, der nicht nur so gut ist wie ich, sondern manchmal sogar besser.» Mit «I Won’t Stay For Long», dem Schlussstück auf «For Free», habe immerhin nicht er selbst, sondern Raymond den besten Songs des neuen Albums geschrieben.

Gar nicht angestaubt

Prägnante Altherren-Kollaborationen für die zehn Folk-Jazz-Perlen ergaben sich mit dem 73-jährigen Donald Fagen («Rodriguez For A Night» dürfte der beste Song sein, den dessen Band Steely Dan nie aufgenommen hat) und mit Michael McDonald (69), der legendären Stimme der Doobie Brothers. «Das sind alles Leute, die die Musik in ihrer echten Substanz lieben», sagt Crosby, der immer schon gern zusammen mit Kollegen Songs schrieb. «Sie kommen nicht nur fürs Geld her.» Routiniert oder gar angestaubt klingt hier tatsächlich nichts. Und zwei weitere Alben seien schon in der Mache, kündigt der Künstler kurz vor seinem 80. Geburtstag (14. August) an.

«Er ist ein feiner Songautor, ein wirklich guter Mensch, der immer versucht hat, freundlich zu sein, solange ich ihn kenne», sagt Crosby der dpa über Jackson Browne. «Wir sind Freunde. Er liegt mir sehr am Herzen, auch wenn wir nicht miteinander abhängen, weil wir in unterschiedlichen Städten leben.»

Auf seinem harmonischen, hochsoliden Alterswerk «Downhill From Everywhere» erreicht Browne zwar nicht ganz die Flughöhe des älteren Kollegen. Doch wer seine Fabel-Alben «Late For The Sky» (1974) oder «Running On Empty» (1977) gern hört, dürfte auch mit den zehn neuen, teils mexikanisch und spanisch angehauchten Liedern kaum fremdeln.

Die warme Stimme des inzwischen graubärtigen Westcoast-Troubadors ist natürlich die halbe Miete. Und Songs wie «Minutes To Downtown», «Love Is Love» oder das (wie so oft beim Altlinken Jackson Browne) politisch aufrüttelnde «Until Justice Is Real» vermitteln das Gefühl, einem klugen Freund zu lauschen. Am Ende widmet er seiner Wahlheimat den sonnigen «Song For Barcelona». Nein, entgegen dem pessimistischen Albumtitel geht es mit diesem Singer-Songwriter keineswegs bergab.

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