Er kann auch anders: Sebastian Fitzek punktet diesmal mit Humor. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa)

Für seine Stammleser hat Sebastian Fitzek gleich auf der Titelseite den Hinweis «Kein Thriller», an Erstleser ergeht im Nachwort die Warnung, von seinen anderen Titeln bitte nichts zu erwarten, was humorvoll ans Herz geht.

«Der erste letzte Tag», eigentlich als Kurzgeschichte zum Droemer-Knaur-Jubiläumsjahr geplant, ist kein Psychothriller und handelt nicht von Serienmördern. Stattdessen geht es um die von Missverständnissen und Vorurteilen geprägte gemeinsame Reise zweier durch Zufall zusammengeschweißter Protagonisten, die ein wenig an den Film «Knocking on Heaven’s door» erinnert.

Livius Reimer, Deutsch- und Geschichtslehrer, will irgendwann in naher Zukunft nach dem Ende der Corona-Pandemie von München nach Berlin fliegen, um seine Beziehung zu retten. Schon im Flieger fällt ihm eine junge Frau auf, die er als «Tofu-Terroristin» kategorisiert: eine zugezogene Neu-Berlinerin, «die ihr ganzes Teenagerleben davon geträumt hat, mit Papas Kohle im Prenzlauer Berg einen auf hippes Mädel zu machen.»

Als unmittelbar vor dem Start das Flugzeug wegen starken Schneefalls geräumt wird und die Passagiere ihre Reise irgendwie anders fortsetzen müssen, findet sich Livius mit der jungen Frau, Lea von Arnim, vor der Mietwagenfirma im Pulk der Reisenden, die Jagd auf den letzten verfügbaren Wagen machen. Es ist nicht nur der Beginn eines Roadtrips, sondern auch einer Schicksalsgemeinschaft. Denn Lea hat den letzten Wagen ergattert und erwartet nun von Livius, dass er die Miete übernimmt.

Livius hält Lea für ein verzogenes reiches Gör, sie hält ihn für einen auf locker machenden Spießer, der noch nie sein Leben nach wirklich eigenen Vorstellungen gelebt hat. Aus den flapsigen Wortwechseln entwickelt sich eine Idee: Warum nicht einmal einen Tag so leben, als sei es der letzte?

Dass Livius sich überhaupt darauf einlässt, liegt wohl nur an einem zufällig gehörten Telefongespräch, dass Lea mit ihrer Schwester geführt hat: Vater, Krankenhaus, Operation, Krebs – es bleibe nicht mehr viel Zeit. Nur versucht Lea, die Fahrt nach Hamburg hinauszuzögern. Der pädagogische Gutmensch in Livius hat eine Mission: Lea soll rechtzeitig in Hamburg eintreffen. Dafür nimmt er auch die spontanen Anarcho-Aktionen seiner Mitreisenden in Kauf wie die Befreiung eines Schweinetransporters und die Wodka-Sauna bei einem tschetschenischen Masseur.

Fitzek erzählt die Geschichte des ungleichen Paares voller Komik, mitunter Slapstick. Der Leser weiß viel früher als Ich-Erzähler Livius, dass Leas schrille, aufgedrehte Art und ihr atemloses Tempo einen anderen Grund haben als den Hintergrund einer verwöhnten jungen Frau mit Geld, die sich nie um die Konsequenzen ihres Handelns scheren musste. Stattdessen erlebt sich Livius plötzlich als «ahnungslosen Einfaltspinsel», der seinen eigenen Vorurteilen aufgesessen ist. Am Ende der Reise wird auch er verändert sein.

«Der erste letzte Tag» erzählt mit Leichtigkeit und Humor von der Endlichkeit des Seins und der Intensität des Lebens im Augenblick, der immer auch der letzte sein kann. Fitzek-Leser, die ihren Autor nur mit Serienmördern und leisem Grauen in Verbindung bringen, könnten enttäuscht werden. Doch wie Fitzek selbst erklärt: Beim Schreiben sei ihm einfach schnell klar geworden, «dass mir in einer Zeit, in der wir ohnehin alle in einem Real-Time-Thriller leben, der Sinn eher nach etwas stand, das einen hin und wieder auch mal zum Lachen bringt».

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