Bardia Gharib (l) und sein Sohn Shahab vor der Pace University in New York. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Christina Horsten/dpa)

Schon in der Grundschule war Shahab Gharib mit allen Aufgaben immer vor seinen Mitschülern fertig.

«Deswegen habe ich mich dann immer durch alle Bibliotheken gelesen», sagt der heute 13-Jährige, der im baden-württembergischen Bruchsal geboren ist und mit seinen Eltern als Kleinkind nach Florida umzog. «Jeden Tag bin ich nach Hause gekommen und habe gesagt: „Heute habe ich drei Bücher gelesen, heute habe ich vier Bücher gelesen.“» Die «Harry Potter»-Bände hat er schon in der ersten Klasse alle durch.

«Als er gesagt hat, er will meine Bücher lesen, habe ich gesagt: „Das kannst du nicht, du bist noch viel zu klein, das ist Geheimsprache“», sagt Shahabs Vater Bardia. «Natürlich hat er sich dann das Lesen selbst beigebracht. Ich habe ihm ein paar Tricks gezeigt, wie man Buchstaben erkennt, und ein paar Wochen später hat er sich die ersten Bücher aus dem Regal gezogen. Da war er vielleicht drei. Aber ich hab weder trainiert, forciert, noch hätte ich jetzt das als besonders aufgeschrieben, weil wäre ich Fußballer und hätte ich früh mit ihm das Kicken angefangen, hätte er vielleicht mit dem Ball jongliert, deswegen war es für mich normal.»

Erst als Gharib in der vierten Klasse bei einem für doppelt so alte Kinder angelegten landesweiten Test im obersten Tausendstel landet, wird es dem Vater klar: «Das war der Durchbruch für mich, da habe ich gedacht, irgendwas stimmt mit dem Typ nicht», sagt er. «Da waren wir echt ein bisschen stolz.» Gharib wechselt in Florida auf eine Begabtenschule, absolviert alle seine Fächer mit Bestnoten, macht zusätzliche Online-Kurse und schafft schließlich im vergangenen Jahr den Highschool-Abschluss – mit gerade einmal zwölf Jahren. Einem Alter, in dem andere Kinder noch gar nicht auf der Highschool angefangen haben.

Danach bewarb er sich bei zahlreichen Universitäten und seit diesem Frühjahr studiert der im Februar 13 Jahre alt gewordene Gharib nun an der renommierten New Yorker Pace University – als einer der jüngsten Studenten in der Geschichte der Bildungseinrichtung, wenn auch nicht der allerjüngste, wie die Uni mitteilt.

Das Alter seines Sohnes habe die Bewerbungen deutlich verkompliziert, sagt der Vater. Unter anderem deswegen, weil man mit weniger als 13 Jahren noch nicht einmal ein Internet-Profil für die nötigen Zulassungstests anlegen könne. Mehrere Universitäten lehnten Gharibs Bewerbung ab, aber von der Pace University kam am Tag vor Weihnachten die Zusage. «Da sind wir aus dem Grinsen nicht mehr rausgekommen und zum Feiern zusammen essen gegangen», sagt Bardia Gharib.

«Die zuständige Direktorin hat erzählt, sie hat meine Bewerbung durchgelesen und gesagt: „Den will ich“ – und da hatte sie noch nicht einmal mein Alter gesehen», erinnert sich Shahab Gharib. Sein Vater ergänzt: «Das fand ich gut, weil ich möchte, dass er eine Chance bekommt, nicht weil er goldig ist und weil er jünger ist, sondern weil er gut ist und weil er bereit ist für das College.» Dank zahlreicher Stipendien kostet das Studium für Gharib nur vergleichsweise günstige mehrere Tausend Dollar pro Semester. Mit der Universität ist vereinbart, dass der Vater den Sohn als eine Art Aufsicht begleitet und rechtliche Verantwortungen übernimmt.

Geschichte ist nun das Hauptfach von Gharib, dazu belegt er – teilweise im Gebäude im Süden Manhattans, teilweise wegen der Pandemie noch zu Hause am Computer – unter anderem Kurse in Wirtschaft, Psychologie, Ägyptologie und Poesie. «Es macht mir sehr viel Spaß», sagt Gharib. Mit seinen teils deutlich älteren Kommilitonen sei alles «ganz normal». «Und meine Professoren sind alle witzig und sie wissen über alles Bescheid.»

Lob kommt auch von der Uni: «Es ist eine Freude, Shahab zu unterrichten», sagt der Präsident der Pace University, Marvin Krislov, in dessen Kurs über öffentliche Bildung Gharib eingeschrieben ist. «Er ist aufmerksam, intelligent und engagiert. Er ist intellektuell neugierig und nimmt aktiv an den Diskussionen im Kurs teil. Er ist einfach ein wundervoller Student.» 

Warum er akademisch so viel schneller sei als die meisten anderen Kinder, könne er sich auch nicht erklären, sagt Gharib. «Ich glaube vieles ist Genetik, ich habe einfach einen schlauen Vater und eine schlaue Mutter. Aber ich weiß es nicht, es ist mir einfach schon immer leicht gefallen.» Ob es auch etwas gebe, was er nicht so gut könne? «Ich kann keinen Ton singen und ich kann kein Instrument spielen.»

Sein Sohn sei einfach ein «stinknormaler 13-Jähriger mit einer Begabung fürs Lernen», sagt Vater Bardia Gharib, der früher ein erfolgreiches Box-Zentrum in Bruchsal betrieben hat. «Er hat Lerntalent, er liest schneller und kann sich Dinge besser merken als andere. Ich weiß gar nicht, ob ich sagen kann, dass er ehrgeizig ist. Was aber definitiv ist: Wenn jemand ihm sagt, das geht nicht – da ist es vorbei.»

Gedrillt worden sei Gharib nie, betonen Vater und Sohn. «Wenn ich das höre, lache ich», sagt der 13-Jährige. «Wenn ich einen Kurs angefangen habe, habe ich nicht aufgehört. Ich saß dann dran und habe immer gesagt, da mache ich noch ein bisschen weiter. Und dann kam er und hat gesagt: „Geh raus, hab Spaß, hock nicht den ganzen Tag drin.“ Also, es war genau andersrum.» Aber die Eltern unterstützten ihn und zogen unter anderem seinetwegen von Florida nach New York, damit er auf eine gute Universität gehen und ein spannendes Umfeld haben kann. Gharibs Mutter fand in der Metropole einen Job als Krankenschwester.

Was er einmal werden will, das weiß Gharib noch nicht genau. «Ich kann mir alles vorstellen. Ich kann alles machen. Ich kann mir Jura vorstellen, aber ich glaube, wenn ich einen Professor kennenlerne, der Arzt ist und der bringt mich in eine gute Medizinschule, dann kann ich mir auch Medizin vorstellen, ich kann es jetzt wirklich noch nicht sagen.» Zunächst einmal müsste er eigentlich Praktika machen, sagt der Vater. «Und da ist schon wieder sein Alter ein Problem. Viele Firmen werden einfach ablehnen vom Alter her, aber er muss ja in Berufe reinschnuppern.»

Schon in etwa zwei Jahren wird Gharib wohl den Bachelor-Abschluss haben – mit 15. Wenn er gerade nicht studiert, spielt er gerne mit Lego oder Playmobil, telefoniert mit seinen Freunden aus Florida, schaut mit seinen Eltern Filme oder geht mit ihnen ins Metropolitan Museum. Die Jahreskarte hat er sich zum Highschool-Abschluss gewünscht. «Wir sind total stolz auf ihn», sagt Vater Bardia. «Aber wir sehen in ihm auch genauso den Lauselümmel, der er ist.»

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