Der Jury-Chef für den Preis der Leipziger Buchmesse, Jens Bisky, nutzt wenige Worte, um die Auswahl in der Kategorie Belletristik zusammenzufassen. «Vier Frauen und ein Mann» haben es in diesem Jahr auf die Liste geschafft, sagt er. Damit ist der Anteil der Autorinnen so hoch wie nie zuvor.
Hoffnungen können sich Iris Hanika («Echos Kammern»), Judith Hermann («Daheim»), die 96-jährige Österreicherin Friederike Mayröcker («da ich morgens und moosgrün. Ans Fenster trete») und Helga Schubert, Bachmann-Preisträgerin 2020, («Vom Aufstehen: Ein Leben in Geschichten») machen. Der Schweizer Christian Kracht vervollständigt die Shortlist mit seinem Roman «Eurotrash», wie die Messe mitteilte.
Die Leipziger reihen sich mit dieser Auswahl ein in den Trend zum #Frauenlesen. Unter diesem Hashtag werden seit geraumer Zeit in den Sozialen Medien Tipps für Autorinnen ausgetauscht. Auch der Frankfurter Buchpreis hatte auf seiner Shortlist im vorigen Herbst schon ein weibliches Übergewicht. Vier der sechs Nominierten waren Autorinnen. Es sei aber nicht um Quote, sondern um Qualität gegangen, hatte die Frankfurter Jury betont.
«Man darf da nicht zu viel reininterpretieren», sagt auch der Hamburger Literaturkritiker Rainer Moritz. Es sei gut, dass Frauen mehr Aufmerksamkeit bekämen, weil sie in den vergangenen 20, 30 Jahren bei Preisen zu wenig berücksichtigt worden seien. Aber das dürfe nun auch nicht in die Absicht umschlagen, die Männer auszugrenzen.
Die Leipziger Shortlist nennt Moritz «eine starke Auswahl». Nicht ganz überraschend zählten dazu Judith Hermann oder Helga Schubert, die voriges Jahr im Alter von 80 Jahren den Bachmann-Preis gewann. Ihr Buch «Vom Aufstehen. Ein Leben in Geschichten» ist autobiografisch geprägt. Auch Hermanns «Daheim» erzählt eine Lebensgeschichte. «Was das Buch will, das kann es auch», sagt dazu Jury-Chef Bisky.
Anders als in vorherigen Jahren findet sich diesmal kein Debüt auf der Belletristik-Liste. Auch Kracht, Hanika und natürlich Mayröcker sind seit Jahren und Jahrzehnten etablierte Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Für den Preis der Leipziger Buchmesse wurden dieses Jahr 389 Werke eingereicht. Er ist mit insgesamt 60.000 Euro dotiert.
Die Besonderheit des Preises sind seine drei Kategorien. Neben Romanen werden auch Sachbücher und Übersetzungen gewürdigt. In der Sachbuch-Rubrik nominierte die Jury Christoph Möller («Freiheitsgrade»), Heike Behrend («Menschwerdung eines Affen»), Dan Diner («Ein anderer Krieg»), Michael Hagner («Foucaults Pendel und wir») und Uta Ruge («Bauern, Land»).
Das allgegenwärtige Thema Corona spielt dabei noch keine Rolle. «Da erschien uns Anderes interessanter», sagt Bisky. Lediglich Möller widme ein Kapitel in «Freiheitsgrade» der Freiheit in der Pandemie. Die Bücher seien «in Thema und Form unterschiedlich. Das ist beim Sachbuch nie falsch», sagt Bisky.
In der Kategorie Übersetzungen wurden Übertragungen aus dem amerikanischen Englisch (Nikolaus Stingl und Dirk van Gunsteren für «USA-Trilogie»), dem kanadischen Französisch (Sonja Finck und Frank Heibert für «Der große Absturz»), dem Ungarischen (Timea Tankó für «Apropos Casanova»), dem Englischen (Ann Cotten für «Pippins Tochters Taschentuch») und dem Norwegischen (Hinrich Schmidt-Henkel für «Die Vögel») ausgewählt.
Nach der Absage der Leipziger Buchmesse wegen der Corona-Pandemie soll der Preis in einem Festakt am 28. Mai in der Kongresshalle Leipzig vergeben werden. Ob Zuschauer dabei sein können, ist laut Messe noch offen. «Mir wäre es am liebsten, wenn Publikum zugelassen wäre», sagt Jury-Chef Bisky. Schließlich solle der Preis möglichst viel Aufmerksamkeit erzeugen. «Aber wir werden uns selbstverständlich an alle Regeln halten.»
Der Preis der Leipziger wird seit 2005 vergeben und zählt zu den wichtigsten Literatur-Auszeichnungen in Deutschland.