Die Welt hat sich seit 2002 sehr verändert, eines aber war stets Gewissheit: Jahr für Jahr sitzt Dieter Bohlen in einem Sessel, um mit flotten Sprüchen über einen schief singenden Kandidaten von «Deutschland sucht den Superstar» zu richten.
Seit fast 20 Jahren führt der Musikproduzent nunmehr die Jury der RTL-Castingshow an, mit der er im Grunde verschmolzen ist. «DSDS», das ist Bohlen und umgekehrt – dachte man. Doch nun steht fest: Noch im April ist damit Schluss. Eine Ära geht zu Ende.
Wie RTL mitteilte, wird Bohlen nach der aktuellen Staffel keinen Jury-Platz mehr bei «DSDS» einnehmen. Sie endet am 3. April 2021. In der kommenden Ausgabe, die 2022 zu sehen sein wird, werde es erstmals eine komplett neu besetzte Jury geben, um auf die Suche nach talentierten Sängern zu gehen.
Bohlen übergebe «das Kommando» an «starke Nachfolger», so der Kölner Sender. Ähnliches gelte auch für die Show «Das Supertalent», in der Bohlen sein Urteil etwa über besonders talentierte Mundharmonikaspieler oder pfiffige Hunde abgab.
Der Sender habe sich so entschieden, um seine beiden Hitshows «grundlegend weiterzuentwickeln», erklärte RTL. «Um frische Impulse zu setzen, gehen wir in der kommenden Staffel auch mit komplett neuer Jury an den Start», hieß es. RTL-Unterhaltungschef Kai Sturm erklärte, nach fast zwei Jahrzehnten sei «jetzt der richtige Zeitpunkt für Veränderung und Weiterentwicklung».
Sturm bedankte sich bei der aktuellen Jury – zu der auch Sängerin Maite Kelly und Popstar Mike Singer gehören – und «insbesondere bei Dieter Bohlen». Die Frage, ob der 67-Jährige in anderen Formaten zu sehen sein wird, blieb gleichwohl offen. RTL erklärte auf Nachfrage: «Für gute neue Programmideen sind wir jederzeit offen.»
Um die Tragweite zu beurteilen, muss man bedenken, wie wichtig «DSDS» für RTL ist – und auch für Bohlen. Die Show ist zwar nicht mehr der Straßenfeger, der sie nach einem phänomenalen Start 2002 gewesen ist, aber immer noch ein Pfeiler im Programm. 2007 führte der Sender das Format in die Schlacht um den Samstagabend und griff mit Bohlen als Speerspitze Thomas Gottschalk (70) und «Wetten, dass..?» an, das damals noch ein Mythos war. Innerhalb des «DSDS»-Kosmos konnte Bohlen schon längst als systemrelevant gelten.
Der heute 67-Jährige gehörte schon der ersten Jury an, unter deren Ägide Alexander Klaws (37) zum ersten «Superstar» gekürt wurde. Damals musste er sich die erste Jury-Reihe noch mit dem Musikproduzenten Thomas M. Stein teilen, der aber irgendwann die Show verließ. Auch ansonsten gab es ein munteres Kommen und Gehen bei «DSDS» – von Heino über Bill Kaulitz bis Xavier Naidoo oder H.P. Baxxter. Nur einer blieb immer da: Dieter Bohlen.
Bohlen prägte zudem den Geist der Show, die bis heute davon lebt, dass wagemutige Möchtegern-Sänger mangelndes Talent durch Selbstüberschätzung zu kompensieren versuchen. Von Bohlen wurden sie dann mit boshaften Sprüchen («Vielleicht kannst du versuchen, mit der Stimme den Leuten die Beine zu enthaaren») flugs wieder nach Hause geschickt.
Wer am Ende doch übrig blieb und gewann, dem verhalf er in die Charts. Bohlen war Produzent der meisten «DSDS»-Gewinner. Er war nicht mehr Popstar wie zu Zeiten von Modern Talking – sondern Pop-Titan. So wie Oliver Kahn (51), den man Torwart-Titan nannte.
Bohlens Einfluss ging so weit, dass man sich manchmal fragen konnte, wer genau über die «DSDS»-Jury entscheidet – RTL oder der Chefjuror mit dem charakteristisch weißen Zähnen. Als etwa entschieden war, dass der Jury-Platz des skandalumwitterten Schlagersängers Michael Wendler (48) nach dessen Eklat nicht nachbesetzt wird, verkündete das Bohlen selbst über seinen eigenen Instagram-Kanal.
Diesmal wird nach Lage der Dinge RTL selbst verkünden, wer den Platz des Pop-Titans einnimmt. Die Nachfolger in der Jury sollen «rechtzeitig» bekanntgegeben werden, so der Sender.